"Wir sind die Urheber!“ Mit diesen Worten riefen im Mai 2012 100 bekannte Autorinnen und Autoren, Künstlerinnen und Künstler dazu auf, den Schutz ihrer Werke durch das Urheberrecht zu stärken und den heutigen Bedingungen des schnellen und massenhaften Zugangs zu den Produkten geistiger Arbeit anzupassen.
Aktuelle Rechtslage
Die Verleihung von Ausschließlichkeitsrechten durch das Urheberrecht wird zum einen damit gerechtfertigt, dass derjenige, der eine kreative Leistung erbringt, als Schöpfer geschützt und zugleich in die Lage versetzt werden soll, sein Werk materiell zu verwerten. Nach utilitaristisch geprägten Begründungsansätzen soll das Urheberrecht zudem einen Anreiz für weiteres kreatives Schaffen geben, um im Interesse der Allgemeinheit das kulturelle und wissenschaftliche Leben zu fördern.
Ein Urheberrecht entsteht nach Paragraf 2 Absatz 2 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) an "persönlichen geistigen Schöpfungen“, also kreativen Leistungen, die ein Mindestmaß an Originalität aufweisen und sich von der Masse des Alltäglichen abheben.
Das Urheberrecht schützt den Urheber in seinen "geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk“ und soll ihm zugleich eine "angemessene Vergütung“ sichern (Paragraf 11 UrhG). Zu diesem Zweck weisen die Paragrafen 15–23 UrhG dem Urheber das ausschließliche Recht zu, sein Werk in der Öffentlichkeit zu verwerten. Es ist grundsätzlich verboten, ein Werk ohne Einwilligung des Urhebers, etwa ohne Lizenz, zu vervielfältigen oder im Internet zur Verfügung zu stellen. Grundsätzlich verstoßen auch Nutzungshandlungen ohne kommerziellen Hintergrund gegen das Urheberrecht, beispielsweise die Veröffentlichung einer selbst eingespielten Cover-Version des Lieblingslieds bei Youtube. Ergänzt wird der Schutz durch das Urheberpersönlichkeitsrecht (Paragrafen 12–14 UrhG), welches das Recht des Urhebers zur Entscheidung über die (Erst-)Veröffentlichung seiner Werke, das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft und einen Schutz gegen Entstellungen des Werkes umfasst.
Flankierend statuiert das Urheberrechtsgesetz auch Schutzrechte für sogenannte Werkvermittler beziehungsweise Verwerter, welche die Werke der Urheber künstlerisch oder technisch-organisatorisch aufbereiten und publizieren. Hiervon profitieren unter anderem Sänger, Musiker und Schauspieler (sogenannte ausübende Künstler, Paragraf 73 UrhG), Filmproduzenten (Filmhersteller, Paragraf 94 UrhG) und Musiklabels (Tonträgerhersteller, Paragraf 85 UrhG). Von einigen Kritikern wird die These vertreten, dass die als "Content-Mafia“ titulierten Verwerter durch die neuen technischen Möglichkeiten des Internets weitgehend überflüssig würden, da die Kreativen die Präsentation und Vermarktung ihrer Werke nun selbst besorgen könnten. In einigen Bereichen wird die Expertise der Verwerter, etwa ein gutes Lektorat oder PR-Erfahrung, sicherlich weiterhin für die Kreativen hilfreich sein. Es bleibt abzuwarten, in welchem Ausmaß Urheber zukünftig die Verwertung ihrer Werke selbst in die Hand nehmen und ob darüber hinaus neue Internetakteure wie beispielsweise Amazon, die bisher auf die Distribution von Inhalten beschränkt waren, durch die Produktion eigener Inhalte in die traditionellen Domänen der Verwerter eindringen werden.
Es ist allgemein anerkannt, dass im Urheberrecht eine Tripolarität der Interessen besteht und nicht nur die Interessen der Kreativen und Verwerter, sondern auch die Interessen der Nutzer beziehungsweise der Allgemeinheit zu berücksichtigen sind.
Daher begrenzt das Urheberrechtsgesetz das geistige Eigentum des Urhebers, damit Werke trotz ihres urheberrechtlichen Schutzes zu künstlerischen, wissenschaftlichen oder pädagogischen Zwecken genutzt werden können. So endet das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Das Werk kann dann von jedermann ohne Lizenz und Zahlung einer Vergütung genutzt werden (Paragraf 64 UrhG) – eine Rechtslage, die in Bezug auf körperliche Eigentumsgegenstände wie Immobilien undenkbar wäre. Vor dem Hintergrund der Kommunikationsfreiheit erfasst das Urheberrecht darüber hinaus nicht den Inhalt eines Werkes, also nicht die darin enthaltenen Informationen und Lehrmeinungen, sondern nur die Darstellung als solche, etwa Gliederung und Ausdrucksweise, sofern diese über die allgemein üblichen fachlichen Gepflogenheiten hinausgehen.
Schon immer galt, dass das Urheberrecht wie kaum ein anderes Rechtsgebiet von den technischen Entwicklungen beeinflusst wird. Seine Entwicklung begann mit Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse, die das Bedürfnis nach einem Schutz der Verleger vor unbefugten Nachdrucken weckte.
Konflikte zwischen den betroffenen Interessengruppen
Die aktuelle Debatte dreht sich im Kern darum, wie umfangreich die Rechte der Urheber ausgestaltet sein müssen, damit das Urheberrecht seine Anreiz- und Belohnungsfunktion optimal erfüllen kann, und in welchem Ausmaß das Urheberrecht zugunsten der Nutzer eingeschränkt werden sollte. Dabei ist es sicherlich nicht zutreffend, dass ein besonders starkes Urheberrecht zwangsläufig zu mehr Kreativität und Innovation führt. Während ein zu starker Schutz neuem kreativem Schaffen im Wege steht und damit zu Innovationsblockaden führt, übt ein zu schwacher Schutz eine zu geringe Anreizfunktion aus. Die zentrale Frage ist also, wie im gesamtgesellschaftlichen Interesse ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Rechtsinhaber- und Nutzerinteressen erreicht wird.
Die Diskussion ist auch deswegen so komplex und kontrovers, weil urheberrechtliche Regelungen eine Vielzahl von Interessengruppen betreffen. Zu der oben beschriebenen tripolaren Interessenlage der Kreativen, der Rechteverwerter und der Rezipienten sind im digitalen Zeitalter noch weitere Akteure hinzugetreten wie Suchmaschinenbetreiber, Internetserviceprovider und Webhoster. Dabei können einzelne Akteure durchaus mehreren Interessengruppen angehören. So haben beispielsweise Wissenschaftler in der Regel einerseits als "Produzenten“ urheberrechtlich geschützter Werke ein Interesse an einem relativ starken Schutz ihrer Werke; andererseits sind sie als Nutzer auf den Zugang zu den Werken ihrer Kollegen angewiesen. Diese Komplexität der zu berücksichtigenden Interessen und die beharrliche Arbeit durchsetzungsstarker Lobbygruppen führt dazu, dass die gesetzgeberischen Reformen im Bereich des Urheberrechts im vergangenen Jahrzehnt immer langwieriger wurden und häufig zu komplizierten und detailbeladenen Regelungen führten. Ein Negativbeispiel ist die 2003 und 2008 reformierte Regelung zu Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch in Paragraf 53 UrhG, die einen Grad an Komplexität und Differenzierung erreicht hat, der für private Verbraucher, deren Befugnisse sie doch regelt, kaum mehr verständlich sein dürfte.
Kritikpunkte aus Sicht der Nutzer
So komplex, wie die betroffenen Interessengruppen sind, so vielfältig sind auch die bemängelten Defizite. Von Nutzerseite wird kritisiert, dass das Urheberrecht zu einseitig die Interessen der Rechtsinhaber, insbesondere der Verwerter, berücksichtige und selbst Nutzungshandlungen ohne kommerziellen Hintergrund verbiete, wie beispielsweise die Veröffentlichung einer selbst eingespielten Cover-Version im Internet. Da die heutigen technischen Rahmenbedingungen zu einer Verlagerung von Vervielfältigungs- und Kommunikationsvorgängen aus dem gewerblichen in den privaten Bereich führten, ist es jedoch grundsätzlich sachgerecht, dass das Urheberrecht auch diese Nutzungsvorgänge erfasst – jedenfalls soweit hierdurch die Verwertungschancen der Rechtsinhaber beeinträchtigt werden, wie zum Beispiel durch die Veröffentlichung einer mit dem Original vergleichbaren Aufnahme. Diskussionswürdig ist es meiner Einschätzung nach hingegen, ob das Urheberrecht bearbeitete Versionen, die nicht in Konkurrenz zu dem Originalwerk treten und damit den Verwertungschancen der Rechtsinhaber grundsätzlich nicht schaden, gestatten sollte.
Darüber hinaus wird eingewandt, dass das Urheberrecht eine kreative Nutzung von Werken verhindere, etwa die Erstellung neuer Medieninhalte im Rahmen von Parodien, samplings oder mashups durch die Kombination bereits bestehender Inhalte. Gemäß Paragraf 24 UrhG ist die Veröffentlichung eines bearbeiteten oder verfremdeten Werkes nur zulässig, sofern die künstlerische Verarbeitung ein solches Ausmaß erreicht hat, dass ein eigenständiges neues Werk entstanden ist und die prägenden Merkmale des ursprünglichen Werkes verblasst sind.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die von einigen Verwertern eingesetzten technischen Maßnahmen, wie etwa die bei DVDs üblichen Kopierschutzmechanismen. Zwar hat die mangelnde Verbraucherakzeptanz dazu geführt, dass in einigen Bereichen größtenteils auf den Einsatz technischer Schutzmaßnahmen verzichtet wird. In anderen Bereichen, zum Beispiel bei E-Books, ist ihre Verwendung zur Absicherung der jeweiligen Nutzungsbedingungen hingegen weitgehend üblich. Indem Paragraf 95a Absatz 1 UrhG die Umgehung dieser Kopierschutzmechanismen verbietet und Paragraf 108b Absatz 1 UrhG sogar bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe androht, wenn die Tat nicht ausschließlich zum privaten Gebrauch erfolgt, wird hierdurch ein zweites Schutzregime neben dem eigentlichen Schutz des Werkes durch das Urheberrecht geschaffen. Es ist nicht nur für Laien schwer verständlich, dass dieses Verbot zur Umgehung von Kopierschutzmechanismen sogar dann gilt, wenn der Nutzer eigentlich dazu berechtigt wäre, eine Vervielfältigung anzufertigen, beispielsweise für Zwecke des Schulunterrichts oder im Rahmen des Privatkopieprivilegs. Der zur Wahrung der Nutzerinteressen eingeführte Paragraf 95b UrhG, der den zur Vervielfältigung berechtigten Nutzern das Recht gibt, von dem jeweiligen Rechtsinhaber die "notwendigen“ Mittel zu fordern, um doch noch die benötigten Vervielfältigungen herzustellen, ist meiner Meinung nach zu kompliziert, um in der Praxis größere Bedeutung zu erlangen.
Ein weiteres Problem ist die zum Teil missbräuchliche Rechtsdurchsetzung durch massenhafte Abmahnverfahren. Wie bereits dargestellt, dürfen Werke nicht ohne Zustimmung der Rechtsinhaber im Internet zur Verfügung gestellt werden (Paragraf 19a UrhG). Daher ist es unzulässig, zum Beispiel Musik oder Filme in Filesharing-Netzwerke einzustellen. Werke, die aus einer offensichtlich rechtswidrigen Quelle stammen, dürfen selbst zu privaten Zwecken nicht heruntergeladen werden (Paragraf 53 Absatz 1 UrhG). Wenn Rechtsinhaber in diesen Fällen legitimerweise ihre Rechte verteidigen, geschieht dies in der Regel durch eine sogenannte Abmahnung, durch die der jeweilige Verletzer dazu aufgefordert wird, derartige Rechtsverletzungen zukünftig zu unterlassen und im Falle der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe zu zahlen. Zudem muss der Verletzer die Anwaltskosten des Rechtsinhabers sowie einen eventuellen Schadensersatz zahlen. Dieses allgemein übliche Vorgehen wurde in den vergangenen Jahren gerade in Filesharing-Fällen jedoch durch überzogene Streitwerte und Gebührenforderungen dazu missbraucht, überhöhte Kosten geltend zu machen. Der Gesetzgeber hat durch den 2008 eingeführten Paragrafen 97a UrhG versucht, diesen Missständen durch die Deckelung der Anwaltsgebühren auf 100 Euro in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs einen Riegel vorzuschieben.
Auch seitens der deutschen Wissenschaftsorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft wird eine Reform des Urheberrechts gefordert.
Kritikpunkte aus Sicht der Urheber und Verwerter
Seitens der Rechtsinhaber wird häufig ein mangelndes Unrechtsbewusstsein der Nutzer beklagt. Ein Beispiel hierfür ist die teilweise von Nutzerseite geäußerte These, dass dem Rechtsinhaber durch eine Urheberrechtsverletzung – anders als dem Opfer eines Ladendiebstahls – nichts genommen werde. Dem ist entgegenzuhalten, dass dennoch bei beiden Konstellationen in Eigentumsrechte eingegriffen wird. Und zumindest in den Fällen, in denen der Rechtsverletzer das Werk andernfalls gegen Entgelt erworben hätte, ist dem Rechtsinhaber auch ein wirtschaftlicher Schaden entstanden.
Die Digitalisierung hat den Rechtsinhabern neue Verwertungsmöglichkeiten eröffnet, gibt den Rezipienten zugleich aber auch mehr Nutzungsmöglichkeiten. Es bleibt eine Herausforderung für die Verwerter, Geschäftsmodelle zu entwickeln, welche die Umsatzeinbrüche bei physischen Werkexemplaren – durch illegale Filesharing-Aktivitäten gleichermaßen wie durch legale Privatkopien – kompensieren.
Zudem erschwert die Digitalisierung die beim geistigen Eigentum naturgemäß schon problematische Durchsetzung der Rechtspositionen. So kann sich ein Host Provider durch die Verwendung eines Servers in einem Staat, der es mit dem Schutz von Urheberrechten nicht so genau nimmt, faktisch dem Zugriff der Rechtsinhaber und der deutschen Strafverfolgungsbehörden entziehen. Weitere Probleme ergeben sich daraus, dass Urheberrechtsverletzungen im Internet zumeist anonym begangen werden und daher zur Rechtswahrnehmung zunächst einmal die Identität des Verletzers aufgedeckt werden muss. Nunmehr statuiert der kontrovers diskutierte Paragraf 101 Absatz 2 UrhG eine entsprechende Auskunftspflicht des jeweiligen Internetserviceproviders nach richterlicher Anordnung. Eine weitergehende Überwachung des Internetverkehrs wäre dagegen aus datenschutzrechtlichen Gründen meiner Einschätzung nach abzulehnen. Auch eine Verschärfung der Sanktionen im Falle von Urheberrechtsverletzungen durch die Sperrung des Internetzugangs einzelner Nutzer bei dreimaliger Verletzung nach dem Three-strikes-and-you-are-out-Modell erscheint im Hinblick auf die durch Artikel 5 Absatz 1 GG garantierte Informationsfreiheit nicht durchsetzbar. Damit bleibt das aus Verwertersicht zentrale Problem ungelöst, wie eine effektive Durchsetzung legitimer Rechtspositionen bei gleichzeitiger Wahrung der Nutzerinteressen erreicht werden kann.
Auch wenn Kreative und Verwerter häufig die gleichen Interessen verfolgen, kann es zwischen diesen beiden Gruppen ebenfalls zu Interessenkonflikten kommen, etwa bei der Aufteilung der Tantiemen. Um dem im Regelfall bestehenden strukturellen Ungleichgewicht zwischen dem einzelnen Kreativen und den geschäftserfahrenen Verwertern entgegenzuwirken, statuiert das Urheberrechtsgesetz seit 2002 einen Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung. Der Bundesgerichtshof hat auf dieser Grundlage in den vergangenen Jahren insbesondere die Rechte von Übersetzern gestärkt.
Aktuelle Gesetzesvorhaben
Zur Anpassung an die neuen technischen Gegebenheiten sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Reformen des Urheberrechts erfolgt. Nach dem „Ersten Korb“ 2003
Anders als Tonträger- und Filmhersteller verfügen Buch- und Zeitungsverleger trotz entsprechender Forderungen seit dem 19. Jahrhundert bislang über kein eigenständiges Schutzrecht. Die Rahmenbedingungen haben sich jedoch dadurch geändert, dass Suchmaschinenbetreiber und andere Nachrichten-Aggregatoren mittlerweile kurze Zusammenfassungen von Zeitungsartikeln auf ihre Internetseite aufnehmen und diese mit den Originalartikeln auf den Seiten der Presseverleger verlinken, um die Attraktivität ihrer Dienstleistungen zu erhöhen. Für diesen Zugriff auf ihre Leistungen erhalten die Presseverleger keine Vergütung, wenn diese sogenannten snippets zu kurz sind, um in den Schutzbereich des Urheberrechts zu fallen. Auch das Verlinken der snippets mit dem Originalartikel greift nicht in das Urheberrecht der Verlage ein.
Der am 29. August 2012 vom Bundeskabinett angenommene Gesetzesentwurf sieht vor, die öffentliche Zugänglichmachung von Presserzeugnissen im Internet durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen und Nachrichten-Aggregatoren innerhalb des ersten Jahres nach ihrer Veröffentlichung ohne Zustimmung der Rechtsinhaber zu verbieten.
Alternative Regelungsmodelle
Angesichts der kontroversen Debatte drängt sich die Frage auf, welche alternativen Konzepte zur Verfügung stehen. Die Abschaffung des Urheberrechts wäre sicherlich keine wünschenswerte Option, da es weiterhin sinnvoll ist, um den Kreativen und Werkvermittlern die Verwertung geistiger Leistungen ermöglichen, um im gesamtgesellschaftlichen Interesse einen Anreiz zu künstlerischem und wissenschaftlichem Schaffen zu geben und um die legitimen Zugangsinteressen der Nutzer, auch gegenüber den Verwertern, zu sichern.
Mit Skepsis ist meiner Meinung nach auch dem theoretisch bestechenden Vorschlag zu begegnen, angesichts der Unkontrollierbarkeit im digitalen Umfeld den Zugang zu Werken im Internet für nicht-kommerzielle Zwecke ohne Zustimmung der Rechtsinhaber zu gestatten und als Ausgleich eine gesetzliche Vergütung im Sinne einer pauschalen Kulturflatrate für Breitband-Internetzugänge vorzusehen. Auf diesem Modell beruht seit Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes im Jahr 1966 das Privatkopie-Privileg: Da Rechtsinhaber es faktisch nicht verhindern können, dass Nutzer für ihren privaten Gebrauch Kopien anfertigen, hat der Gesetzgeber die private Vervielfältigung in Paragraf 53 Absatz 1 UrhG erlaubt und den Rechtsinhabern stattdessen einen Vergütungsanspruch eingeräumt (Paragrafen 54ff. UrhG). Die pauschalierte Vergütung wird nicht direkt von den Nutzern gezahlt, da auch dies faktisch nicht durchsetzbar wäre, sondern von denjenigen, die Vervielfältigungsgeräte wie DVD-Brenner und Fotokopiergeräte beziehungsweise Speichermedien wie DVDs und Festplatten herstellen oder mit ihnen handeln. Üblicherweise legen die Hersteller beziehungsweise Händler von Vervielfältigungsgeräten und Speichermedien diese Vergütung über den Kaufpreis mittelbar auf die Endverbraucher um, was vom Gesetzgeber auch beabsichtigt ist. Die Vergütung wird von den Verwertungsgesellschaften eingezogen und an die Kreativen und Verwerter ausgeschüttet. In dem begrenzten Bereich der Privatkopie funktioniert dieses pauschale Vergütungssystem befriedigend; es hat aber zweifellos auch Defizite. So spiegelt die pauschalierte Vergütung zum Beispiel nicht das Ausmaß der tatsächlichen Nutzung urheberrechtlicher Werke durch den einzelnen Nutzer wider. Zudem zehren die Verwaltungskosten der Verwertungsgesellschaften, die sich mit etwa acht bis 14 Prozent noch in einem angemessenen Rahmen bewegen, einen Teil der Vergütung auf.
Diese Defizite sprechen gegen eine Ausweitung des pauschalierten Vergütungssystems auf den gesamten Internetbereich. Denn problematisch wäre unter anderem, wie hoch eine solche Kulturflatrate sein dürfte, um noch sozialverträglich zu sein, welche Instanz mit der Festsetzung der Vergütungssätze betraut werden sollte, nach welchem Schlüssel die Einnahmen ausgeschüttet werden und welche Verwaltungskosten dieses System verursachen würde. Sehr fraglich wäre überdies, ob ein solches System auf allgemeine Akzeptanz stoßen würde, da alle Inhaber von Breitbandzugängen die Vergütung unabhängig davon zahlen müssten, in welchem Maße sie fremde Werke ohne Lizenz des Rechtsinhabers nutzen. Problematisch ist auch, ob eine solche Begrenzung der Kontrollmöglichkeiten der Urheber mit dem deutschen Verfassungsrecht kompatibel wäre. Zudem wäre eine Kulturflatrate jedenfalls nach derzeitigem Stand wohl nicht mit dem europäischen Recht vereinbar.
Zum Teil wird vorgeschlagen, in Anlehnung an das US-amerikanische copyright law eine Fair-use-Schranke einzuführen, die eine "angemessene Nutzung“ von Werken ohne Zustimmung des Rechtsinhabers gestattet. Die Fair-use-Klausel bietet den Vorteil, dass die Rechtsprechung flexibler auf neue Technologien reagieren könnte als dies nach derzeitiger Rechtslage aufgrund der abschließend aufgezählten Nutzerbefugnisse im Urheberrechtsgesetz möglich ist.
Während die erörterten Reformvorschläge einer Kulturflatrate und einer Fair-use-Regelung auf eine gesetzliche Beschränkung des Urheberrechts abzielen, können Kreative schon jetzt auf freiwilliger Basis die Nutzung ihrer Werke ermöglichen, indem sie diese Open-content-Lizenzen unterstellen. Ein bekanntes Beispiel sind die von der gemeinnützige Organisation Creative Commons veröffentlichten Standard-Lizenzverträge, die für beliebige Werkarten anwendbar sind und vom Urheber festgelegte Nutzungen gestatten.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein umfassender Befreiungsschlag zur Beendigung der kontroversen Urheberrechts-Debatte nicht in Sicht ist. Daher wird es wohl auch in Zukunft nur punktuelle Reformen des bestehenden Systems geben können, die durch eine sachliche Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit unterstützt werden sollten. Kampagnen wie diejenige der Filmindustrie unter dem Slogan "Raubkopierer sind Verbrecher“ dürften einer konstruktiven Lösung dagegen wenig förderlich sein.