Selten war das Verlegen von Büchern so intensiv in der Diskussion, primär ausgelöst durch die Kontroverse um das Urheberrecht: Der Romanautor und Musiker Sven Regener fand mit einer Wutrede im Radio viel Beachtung, "Tatort“-Autoren kritisierten die "Umsonstkultur“, im "Handelsblatt“ kamen Kreativschaffende im Rahmen der Aktion "Mein Kopf gehört mir“ zu Wort.
Zur Stärkung des Bewusstseins für das Urheberrecht fordern Autoren und die Buchbranche, dass Anbieter von Internetzugängen (Provider) daran mitwirken,
Nach einer weiteren Studie finden Maßnahmen gegen Urheberrechtsverletzer zunehmend Zustimmung in der Bevölkerung.
Warnhinweise wären wichtig, um das Urheberrecht durchzusetzen. Und das ist bitter nötig. Vergangenen Dezember kündigte die erfolgreiche spanische Autorin Lucia Etxebarria an, das Schreiben aufzugeben, weil zu viele Raubkopien ihrer Bücher heruntergeladen werden, an denen sie nichts verdient. Ihr und ihrer Familie wird dadurch die Lebensgrundlage entzogen. Bedroht es nicht die Meinungsfreiheit, wenn sich Kreativität nicht mehr lohnt, weil Gesetze nicht eingehalten werden, und damit Bücher nicht mehr erscheinen können? Von der Freigabe von Buchinhalten profitieren primär große Wirtschaftskonglomerate und Raubkopierer, dazu unten mehr im Zusammenhang mit ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement).
Das Urheberrecht mittels Warnhinweisen durchzusetzen, ist politisch umstritten. Diverse Politiker haben ihre Ablehnung eines Warnhinweismodells bekundet, "sofern dieses den Anfang rechtlicher Schritte darstellt“ – im Gegensatz zu einem unverbindlichen Vorwarnverfahren.
Zur Durchsetzung des Urheberrechts lassen Verlage wie Campus schon heute monatlich EDV-gestützt prüfen, ob die Inhalte ihrer Autoren unerlaubt verwendet werden. Schon mehrfach ist es vorgekommen, dass sich beispielsweise Berater auf ihren Webseiten mit langen Auszügen aus den Büchern von Campus-Autoren geschmückt haben – ohne Hinweis auf Buch und Verlag.
ACTA hätte ebenfalls der Durchsetzung des Urheberrechts gedient und war ein Vertrag, der den 37 Unterzeichnerstaaten Mindeststandards für die Bekämpfung von Raubkopierern auferlegte. Artikel 33 hätte es ermöglicht, den Diebstahl geistigen Eigentums durch organisierte Kriminalität international zu verfolgen. Nach heutigem Recht musste eine Gruppe deutscher und internationaler Verlage für die Schließung der Plattformen "library.nu“ und "ifile.it“ einen sechsstelligen Eurobetrag aufwenden, um selbst Beweise zu sichern und einstweilige Verfügungen zu hinterlegen, deren Übersetzung und Zustellung alleine acht Wochen gedauert hat. Zuvor hatten "library.nu“ und "ifile.it“ in wenigen Monaten einen siebenstelligen Eurobetrag auf Kosten von Autoren und Verlagen eingenommen, indem sie über 400.000 E-Books illegal zum kostenlosen Download angeboten und damit Werbeeinnahmen generiert haben.
Wegen solcher Fälle bedarf es dringend einer Verbesserung der internationalen strafrechtlichen Zusammenarbeit beim Schutz von geistigem Eigentum, wie sie Artikel 33 des ACTA-Abkommens vorgesehen hätte. Am deutschen Urheberrecht würde sich durch solche völkerrechtlichen Verträge nichts ändern – aber sie würden Urhebern und ihren Verwertungspartnern in der EU bei der Durchsetzung ihrer Rechte gegen organisierte Kriminelle entscheidend helfen.
Ist die Kulturflatrate eine Alternative zum bisherigen Urheberrecht? Die Netzpolitiker von Bündnis 90/Die Grünen, die weitgehend als einzige für eine Kulturflatrate eintreten, stehen in der Pflicht darzulegen, wie diese etwa, wie vorgeschlagen, mit der Verwertungsgesellschaft (VG) Wort funktionieren könnte. Campus erhält jährlich 70.000 Euro von der VG Wort. Auf welchem Weg soll diese Gesellschaft finanziell so ausgestattet werden, dass der gesamte Verlagsumsatz, der das Hundertvierzigfache dieser 70.000 Euro beträgt, daraus gespeist würde? Und wie sähe eine Kulturflatrate aus, die nicht primär Massenpublikationen zugute käme? Bücher von Campus haben wegen ihrer Qualität Ladenpreise von teilweise über 20 Euro. Wie findet das bei einer Kulturflatrate Berücksichtigung? Wer entscheidet über die richtige Verteilung der Mittel im Vergleich zu Erlösen, die Taschenbücher unter zehn Euro, aber mit höheren Absatzzahlen erzielen? Und, ganz grundsätzlich: Wo bleibt bei einer Kulturflatrate der marktwirtschaftliche Mechanismus, mit eigenen Büchern erfolgsabhängig Geld zu verdienen, aus seinen Fehlern zu lernen – und gegen die Konkurrenz zu bestehen (das, was Joseph Schumpeter "schöpferische Zerstörung“ nannte)?
Die Unterscheidung zwischen kommerziellem und nichtkommerziellem Kopieren
Auch zwei Vorschläge der Piratenfraktion Berlin in ihrem Entwurf zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 4. September 2012 helfen nicht weiter. Dass Werke erst dann geschützt werden sollen, wenn sie das "Durchschnittsschaffen überragen“, ist eine denkbar schwammige Kategorisierung. Und wenn ein Urheber ein eingeräumtes Nutzungsrecht nach fünf Jahren zurückrufen könnte, würde man ihm die Möglichkeit rauben, für einen längeren Zeitraum als fünf Jahre mit einem Verwertungspartner zu kontrahieren und sich dafür entsprechend besser honorieren zu lassen. Schon heute ist jeder Urheber frei, Vertragslaufzeiten zu begrenzen. Bei dieser Möglichkeit flexibler vertraglicher Regelungen durch die Marktteilnehmer – aus der in unserem Verlag nicht selten eine siebenjährige Vertragsdauer resultiert – sollte es bleiben. Eine gesetzliche Begrenzung würde den Urhebern bei der Durchsetzung ihrer individuellen Vorstellungen nicht nutzen, sondern schaden.
Der einzige sinnvolle Gegenstand einer Novellierung des Urheberrechts ist die soziale Kommunikation im Netz in bestimmten, genau zu definierenden Bereichen; so etwa "der Literaturfan, der zwei Seiten aus einem Roman auf seine Facebook-Seite stellt, um den Text mit seiner Community zu diskutieren“.
Digitales Angebot
Neben Warnhinweisen und einer verbesserten internationalen Zusammenarbeit ist die dritte, gleichwertige Stärkung des Urheberrechts das Angebot legaler, kundenfreundlicher Alternativen zum Raubkopierunwesen, möglichst ohne Kopierschutz.
Campus etwa hat sich als einer der ersten Verlage vertraglich die elektronischen Rechte von seinen Autoren übertragen lassen. Mittlerweile erscheinen, sofern es die individuelle Rechtelage zulässt, fast alle seiner Neuerscheinungen als E-Books. Diese werden schon bald zehn Prozent seines Umsatzes ausmachen. In den USA sind es bereits bis zu 50 Prozent, allerdings bei dickleibigen Krimis, die man weder mit sich herumtragen noch aufbewahren möchte. Für Sachbücher scheint das Plateau bei etwa 20 Prozent Umsatzanteil erreicht – Ausnahmen bestätigen die Regel.
In Deutschland entwickelt sich der B2C-Markt (business-to-consumer, der Verkauf einzelner E-Books an Leser) stark seit Aufkommen der E-Reader im Jahr 2009, vor allem durch den Markteintritt der internationalen Konzerne Apple 2010 und Amazon 2011. Dieser Markt erweitert sich durch den Trend zu multifunktionalen Smartphones und Tablets. Auch der Umsatz mit E-Readern verzeichnet hohe Wachstumsraten: Die fünf Millionen Euro bis Frühjahr 2012 dürften sich bis zum Jahresende verdoppeln. Marktführer ist derzeit der Kindle von Amazon.
Verlage, die hier reüssieren wollen, verfügen über eine gute vertriebliche Infrastruktur und werden attraktive E-Books mit kundenfreundlichen Serviceleistungen auf den großen Plattformen platzieren. Viele Verlage bieten mittlerweile über das Angebot des gedruckten Buches als E-Book hinaus Formate an, welche die (produktions-)technischen Möglichkeiten digitaler Formate verstärkt nutzen, etwa, wie die Campus Keynotes, kurze Debattenbeiträge in rein digitaler Form, welche die Lücke füllen zwischen dem gedruckten Buch – umfassend, aber produktionsbedingt langsamer – und dem Zeitungs-, Magazin- oder Blogartikel – schnell, doch meist nur an der Oberfläche kratzend. Dieses Format kommt offenbar an. So waren zwei der Campus Keynotes nach ihrem Erscheinen mehrere Tage unter den Top 10 der Amazon-E-Book-Verkäufe, nämlich "Der Ausweg aus der Krise“ von Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und "Euro-Tsunami“ von Patrick Bernau, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Für den B2B-Markt (business-to-business), den Verkauf von Inhalten an Firmen und Bibliotheken, wird es künftig darauf ankommen, vorhandenen content lösungsorientiert anzubieten und die Autorenmarken zu nutzen für Produkte, die über den content hinausgehen, beispielsweise für die Entwicklung von Weiterbildungsprogrammen.
Die Politik könnte die Digitalisierung und den elektronischen Markt stark fördern, wenn sie auch für diesen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz einführen würde.
Im Wissenschaftsbetrieb ist auch open access ein Thema, also der offene Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen. Darüber sprechen derzeit Wissenschaftsverleger und Wissenschaftsorganisationen auf Einladung der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, miteinander. Diese Arbeitsgruppe hat sich vor einiger Zeit in zwei Unterarbeitsgruppen aufgeteilt, deren eine das Thema golden open access (also die öffentlich zugängliche Publikation von Anfang an) behandelt, während die zweite sich mit der Zweitveröffentlichung von Zeitschriftenbeiträgen und Sammelwerken in staatlichen Open-access-Repositorien nach Ablauf eines Embargozeitraums seit der Veröffentlichung (green open access) auseinandersetzt.
Während es in der Arbeitsgruppe zum golden open access gute Fortschritte und durchgängig konstruktive Gespräche gegeben hat, sind die Diskussionen zum green open access von grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten geprägt. Denn die Wissenschaftsorganisationen wollen weder über den Sinn von staatlichen Open-access-Repositorien diskutieren noch über das Ob einer zwingenden gesetzlichen Regelung, mit der Beiträge zu Zeitschriften und Sammelwerken nach Ablauf eines bestimmten Embargozeitraums von staatlichen Bildungseinrichtungen frei zugänglich ins Internet gestellt werden dürfen, sondern nur über das Wie. Ihnen schwebt ein Modell vor, in dem die Service- und Publikationsleistungen der Verlage nicht entlohnt werden.
Dagegen haben die Wissenschaftsverleger in den Gesprächen bislang – mit Hinweis auf die im Frühjahr veröffentlichte große PEER-Studie der EU
Strukturelle Veränderungen
Wie der Zeitungsmarkt spürt der Buchmarkt die strukturellen Veränderungen durch die Ausbreitung von Smartphones, Tablets und die sozialen Netzwerke. Außerdem fühlen er und die Sachbuchverlage den Paradigmenwechsel des vergangenen Jahres: Bis zum Reaktorunglück in Fukushima, stellte Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo fest, „galt das eherne Gesetz, dass bei dramatischen Ereignissen besonders viele Zeitungen gekauft werden. Dem ist seither nicht mehr so. (…) Nach dem Reaktorunfall war jede noch so gut geschriebene Seite Drei zum Zeitpunkt ihres Erscheinens bereits überholt. (…) (W)eder mit dem arabischen Frühling, noch mit der Eurokrise oder dem Libyen-Krieg konnte Print am Kiosk einen Blumentopf gewinnen.“
Der Buchmarkt ist gerade in diesem Jahr davon geprägt, dass eine relevante Anzahl von Buchhandlungen, auch großer Filialketten, schließt. Der Handel leidet unter einer Verlagerung der Umsätze in Richtung Versandbuchhandel im Internet, vor allem Amazon.
Amazon tritt zunehmend auch als Verleger von Büchern auf.
Nicht zuletzt übernehmen Verlage über die Bandbreite ihrer jeweiligen Programme ein viel höheres kommerzielles Risiko, als dies den meisten Einzelautoren jemals möglich wäre. Sie können wirtschaftliche Rückschläge besser als diese verkraften.
Das wird schon daran augenfällig, dass nur ein Bruchteil der verlegten Bücher, ob von Campus oder anderen Verlagen, am hart umkämpften Markt reüssiert. Dies bleibt auch nach der zunehmenden Verlagerung von Print- zu E-Books so, deren Erfolg sich nicht leichter prognostizieren lässt. Oder wie John Maynard Keynes schon 1935 im "New Statesman“ schrieb: "Publishing is a gambling business, kept alive by occasional windfalls.“
Wie langweilig wäre es auch, es mit lauter sicheren Bänken zu tun zu haben – um wie viel schöner sind dagegen die oft überraschenden Erfolgserlebnisse! Gerade dieses Spekulative am Verlagsgeschäft macht es so reizvoll, wenn auch anstrengend. Dazu trägt der spannende Umgang mit den irrationalen Seiten bei, die Autoren gelegentlich zeigen müssen: Verlagsleute beeindruckt, wie sich Autorinnen und Autoren für die Verbreitung einer Idee engagieren, selbst wenn es sie viel Mühe kostet und wenig Lohn einspielt – und wie sie jenen vertrauen, die sie auf diesem Weg begleiten und diesem Vertrauen wiederum gerecht werden. Zu dieser Zusammenarbeit zwischen Autor und Verlag wird es noch lange kommen.