Für Mädchen zwischen 14 und 18 Jahren sind und waren Jungs schon immer das Thema Nummer 1. Im Gegensatz dazu sind sie für die Sozialwissenschaften und die professionelle Pädagogik erst in den vergangenen zehn bis 15 Jahren stärker in den Fokus gerückt. Während sich in den 1990er Jahren und zu Beginn der 2000er Jahre die Diskussion dabei vor allem auf jene Probleme konzentrierte, die (junge) Kerle machen, werden seit einigen Jahren in wachsendem Maße auch solche Aspekte kommunikativ salonfähig, die stärker auf die Probleme abheben, die Jungen haben – angeblich oder tatsächlich: Schwierigkeiten in der Schule, Benachteiligungen durch die fortschreitende Feminisierung des Betreuungs- und Bildungswesens, gesundheitliche Beeinträchtigungen, Opferrollen im gesellschaftlichen Gewaltgeschehen oder Irritationen in der männlichen Identitätsbildung überhaupt. Die zunehmende Thematisierung von Jungen, Jungenrollen und Jungenleben ist nicht zufällig, sondern ein Indiz für die Menge an Klärungsbedarfen, die mit Blick auf das Aufwachsen des männlichen Teils der nachwachsenden Generation(en) gesehen werden.
Um diesen Bedarfen in einzelnen Fragen nachkommen zu können, sind einige grundlegende Klarstellungen zu den Charakteristiken von Jungesein und Mannwerdung unter den heutigen Bedingungen modernisierter Geschlechterverhältnisse notwendig. Diese versuche ich vorzunehmen, indem ich in einem ersten Schritt unter Hinweis auf die Spezifik des Jugendalters als bestimmte Lebensphase und unter einführender Verwendung der beiden Begriffe der "Mannhaftigkeit“ und "Mannbarkeit“ Dimensionen männlicher Sozialisation herausarbeite, in einem zweiten Schritt kurz mit zentralen Befunden der jungenbezogenen Sozialisationsforschung bekannt mache und abschließend in einem dritten Schritt einige Vorschläge für den Umgang mit Jungen und Jungenproblemen unterbreite.
Jungs – die unbekannten Wesen?
Jungen, vulgo: Jungs, sind Kinder und Jugendliche, die männlich sind. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Jugendphase soziologisch betrachtet durchaus nicht mit der Volljährigkeit enden muss. Status-, sozialisations- und entwicklungsbezogen können auch bei über 18-Jährigen Charakteristika vorliegen, die sie als Jugendliche kennzeichnen. Dies gilt dann, wenn sie noch in Entwicklungsaufgaben stecken, die der Lebensphase Jugend zugerechnet werden (zum Beispiel Ablösung vom Elternhaus, Aufbau einer beruflichen Perspektive, Entwicklung sexueller Identität).
Jungesein und Männlichkeit sind allerdings auch Angelegenheiten der Selbstdefinition, der Selbstdarstellung und der Zuschreibung. Insofern sind als Jungen auch diejenigen Kinder und Jugendlichen zu bezeichnen, die sich männlich fühlen, aber nicht unbedingt – wie etwa Intersexuelle und Transidentitäre – von ihrer Umwelt so wahrgenommen werden, oder diejenigen, die als männlich gelten, ohne dass sie dies dem Eigenempfinden nach sind. Die Eigendefinition als maskulin und die Attribuierung von Männlichkeit wiederum können von sehr unterschiedlichen Faktoren abhängig gemacht werden. Sie können etwa das Körperempfinden, das Aussehen, bestimmte Eigenschaften, unterstellte oder beobachtete Haltungen, Gefühlsbekundungen, spezifische Verhaltensweisen und anderes mehr betreffen.
Auch der Begriff "Männlichkeit“ an sich ist komplizierter als er auf den ersten Blick erscheint. Da sich Männlichkeit letztlich nicht eindeutig objektiv bestimmen lässt – zu denken ist etwa an die ungelösten Probleme von Geschlechtsnachweisen bei manchen Sportlerinnen und Sportlern –, liegt es nahe, dann von Maskulinität und Männlichsein zu sprechen, wenn eine Person dies aus dem Selbsterleben heraus so fühlt und für sich reklamiert. Von dieser subjektiven Dimension der "bio-psychischen Maskulinität“ ist die Dimension "sozialer Männlichkeit“ abzugrenzen, die sich darauf bezieht, wie Männlichkeit sozial verhandelt, (re-)präsentiert und damit hergestellt wird (Performanz). Sie schlägt sich im Verhalten und in Handlungen von Personen und in Strukturen nieder, die als "männlich“ betrachtet werden und mitbestimmend sind für gesellschaftliche Machtkonstellationen.
Damit wird nicht behauptet, dass die Eigendefinition von Personen als "männlich“ unabhängig von den gesellschaftlichen Konstruktionen von Männlichkeit verliefe. Allein die inhaltlichen Füllungen von Begriffen wie "männlich“ sind ja historisch und kulturell spezifisch und mithin konstruiert. Sie sind aber nur typisierende Bezeichnungen für das bio-psycho-physische Erleben des eigenen Körpers und seiner zeitlichen, räumlichen und sozialen Verortung. Dieses Erleben selbst vollzieht sich unabhängig von ihnen. Demzufolge liegt zwischen Mannsein und der Zuschreibung von Mannhaftigkeit die gleiche Kluft wie zwischen dem Jungesein und dem Attest von Jungenhaftigkeit, das bisweilen auch noch gestandenen Männern ausgestellt wird.
Männliche Sozialisation ist demnach mindestens dreierlei: zum Ersten der auf der Basis des Empfindens leiblich-seelischer Maskulinität sich vollziehende Prozess der Entwicklung individueller und sozialer Handlungsfähigkeit über die aktiv-produktive Auseinandersetzung mit der natürlichen, materiellen und sozialen Umwelt;
Männliche Sozialisation ist damit nicht nur Männlichkeitssozialisation, sondern zum großen Teil auch Mannhaftigkeitssozialisation, also die aktive Aneignung gesellschaftlicher Muster von (Eigen-)"Arten“ des Männlichen. Das zentrale Diktum für männliche Kinder und Jugendliche heißt entsprechend: "Steh Deinen Mann!“ beziehungsweise "Sei ein Kerl!“ Mit anderen Worten: "Verhalte Dich, wie man es von jemandem erwartet, dem man zweifelsfrei Männlichkeit zuschreibt!“
In einer Welt der Pluralisierung von Männlichkeit sind solche Zuschreibungen zwar immer weniger eindeutig und stereotyp. Dennoch sind unterschiedliche männliche Praxen und Mannhaftigkeitsmuster keineswegs jederzeit austauschbar und gleichwertig. In der männlich hegemonialisierten Gesellschaft erweist sich vielmehr nach wie vor der Typus hegemonialer Männlichkeit als Leitfigur geschlechtsspezifischer Sozialisation.
Ob man nun davon ausgeht, dass männliche Kinder und Jugendliche aus intrinsischen Motiven heraus männliche Identität und männliche Habitualisierungen herausbilden wollen oder nicht: In der herrschenden "Kultur der Zweigeschlechtlichkeit“
Was man weiß, was man wissen sollte
Freilich sind männliche Kinder und Jugendliche im Allgemeinen nicht in der Lage, Positionen zu besetzen, die ihnen hegemoniale Männlichkeit zuweisen können. Zugleich stehen sie nicht zuletzt aufgrund entsprechender altersspezifischer Entwicklungsaufgaben und -interessen unter dem besonderen Druck, männliche Identität, hier verstanden als die Kontinuität, Kohärenz und Konsistenz eines männlichen Selbsterlebens, herauszubilden. Sie nehmen zudem an sie herangetragene Erwartungen wahr, männlich aufzutreten und jungenspezifisch mannhaft sowie mannbar zu wirken. Für sie liegt aus Anerkennungsgründen nahe, sich dabei am gesellschaftlich vorherrschenden Leitbild hegemonialer Männlichkeit zu orientieren.
Dennoch: Theoretisch stehen sie zunächst vor drei Alternativen, nämlich (1.) entweder geschlechtsspezifische Identitätsbezüge für sich selbst gänzlich abzulehnen, (2.) andere Männlichkeitsvorstellungen zu verfolgen als jene, die hegemonialer Männlichkeit entsprechen, oder (3.) sich an letztgenannter zu orientieren, sie auch zum Leitbild der Persönlichkeitsentfaltung in relevanten Lebensbereichen zu machen, sich vorerst aber, solange entsprechende Umsetzungen in Beruf, Partnerschaft oder öffentlichen Belangen nicht möglich sind, mit Realisierungen in gesellschaftlichen Symbolbereichen zufrieden zu geben. Eine weitere (4.) strategische Möglichkeit besteht darin, Mannhaftigkeitsaspekte und Mannbarkeitsnachweise entlang dem Muster hegemonialer Männlichkeit zwar bis zu einem gewissen Ausmaß und Grad für sich selbst zu akzeptieren, sie aber zugleich gänzlich oder teilweise zu ironisieren und dies auch durchgängig oder situativ zu erkennen zu geben. Es stellt sich die Frage, wie Jungen mit den damit verbundenen Herausforderungen geschlechtsspezifischer Identitätsbildung in ihren zentralen Lebensbereichen umgehen.
Innerhalb der Familie
sind die Erfahrungen von Jungen gegenwärtig vielfach davon gekennzeichnet, dass die Vaterrolle anders gelebt wird als in den Vorgängergenerationen. Insbesondere aufgrund gestiegener Frauenerwerbstätigkeit, des Wandels vom Befehls- zum Verhandlungshaushalt und liberalisierter Erziehungsvorstellungen sind patriarchale Muster bereits seit längerem in Auflösung begriffen. Der Alleinernährer als Alleinbestimmer hat längst Minderheitenstatus. Die Flexibilisierung der Vaterfigur wird aber auch durch den Trend zu mutterzentrierten Alleinerziehenden-Haushalten und zu familiären Konstellationen vorangetrieben, in denen Väter zwar vielleicht physisch existent, aber sozio-emotional weitgehend abwesend sind – nicht zuletzt aufgrund gestiegener beruflicher Beanspruchungen. Zugleich steigt die Anzahl der Männer, die modernisierte, das heißt enthierarchisierte und (tendenziell) egalitäre Geschlechterverhältnisse befürworten beziehungsweise leben, sowie derjenigen, die sich als Suchende auf dem Weg zu neuen männlichen Identitätsbezügen begreifen.
Im Schul- und Bildungssystem
ziehen die Jungen im Geschlechtervergleich seit geraumer Zeit den Kürzeren: Sie erzielen die schlechteren Noten, werden doppelt so häufig wie Mädchen von Lehrkräften als verhaltensauffällig eingestuft und sind überproportional an Förderschulen, unter Sitzenbleibern und Jugendlichen ohne Schulabschluss vertreten. Auch wenn man darin nicht unbedingt eine "systematische Benachteiligung“
Unter Gleichaltrigen
sind für Jungen vor allem in der Jugendphase die Zugehörigkeit zu und die Anerkennung in einer geschlechtshomogenen Gruppe von hochgradiger Relevanz. Sie bildet so etwas wie den Durchlauferhitzer für männliche Sozialisation. Hier wird von jeher gelernt, was als mannhaft gelten kann. Hinweise verdichten sich jedoch, dass in diesem Kontext längst nicht mehr ungebrochen maskulinistische Konventionen ausgetauscht und eingeübt werden. Selbst dort, wo sie weiterhin zelebriert werden, geschieht dies meist mit einer gewissen ironischen Distanz, die das Wissen um die Ambivalenz und Modulhaftigkeit solcher Männlichkeitskultur zu erkennen gibt.
Arbeit und Beruf
stellen für Angehörige des männlichen Geschlechts traditionell wichtige Ankerpunkte von Identitätsbildung und Lebensführung dar. Die ökonomische und technologische Rationalisierung dieser Sphäre löst allerdings zunehmend das Normalarbeitsverhältnis als einen bedeutsamen Definitionskern von Männlichkeit auf. Gefragt ist immer mehr der jederzeit flexible abstract worker "als eine Figur, die ihre sozialen Bindungen und ihre Geschlechtszugehörigkeit in der Privatheit zurücklassen muss“.
Die Medien
bringen ihren enorm gewachsenen Stellenwert dadurch zur Geltung, dass sie gerade in weiten Teilen der für Jugendliche attraktiven Genres – etwa in Filmen, Computerspielen und Musik(clips) – der Abflachung und tendenziellen Neutralisierung von lebensweltlich erfahrbaren geschlechtsspezifischen Ordnungen Bilder entgegensetzen, die überkommene geschlechtsspezifische Zuweisungen ästhetisierend in Szene setzen. Hier können sie als (doing) masculinity-Module konsumiert werden, ohne sie real zu leben.
Insgesamt wird deutlich: Im Prozess des Aufwachsens werden Jungen heute bereichsübergreifend schwierige Balanceakte abgefordert: Sie sehen sich auf der einen Seite mit der gesellschaftlichen Anforderung konfrontiert, eine von (nur) zwei gesellschaftlich akzeptierten Geschlechtsidentitäten, eine männliche Identität nämlich, herauszubilden. Auf der anderen Seite werden aufgrund der Modernisierungen von Geschlechterverhältnissen und -bildern die Konturen dessen, was damit gemeint ist, immer undeutlicher. Zwar bleibt die Aneignung eines Habitus männlicher Hegemonie Orientierung stiftend, in dem Maße aber, wie er sich von physischen Voraussetzungen löst, damit in seiner geschlechtsspezifischen Ausrichtung neutralisiert, ja sogar von Mädchen und Frauen erworben wird und in einer Kultur der sozioökonomischen Durchsetzung und Erfolgsdemonstration aufgeht, wird seine geschlechtliche Zuordnung ambivalenter und abstrakter. Im Zuge dessen haben sich die Kriterien für Atteste von Mannhaftigkeit und Mannbarkeit enttraditionalisiert und pluralisiert. Sie werden insgesamt deutungsoffener, variieren jedoch nicht mehr nur lebensphasen-, lebensbereichs- und situations-, sondern zunehmend auch milieuspezifisch, weil Bildung(szertifikate), Statuspositionen, überdurchschnittliche Konsumfähigkeit und beruflicher Erfolg immer stärker zu zentralen Belegen männlich-hegemonialer Potenz werden, sozial benachteiligte und abgehängte Teile der Bevölkerung aber nicht an ihnen partizipieren (können). Diese neuen Nachweise von Männlichkeit beziehungsweise Mannhaftigkeit entwerten konventionelle Muster männlicher Überlegenheit und schieben diese in Reservate ab (etwa Sport, Mode, Medien), wo sie nur noch symbolkulturelle Funktionen haben.
Gerade für Jungen, denen – zum Beispiel aufgrund eingeschränkter Bildungschancen oder Trübungen beruflicher Aussichten – Zugänge zu modernisierten Formen hegemonialer Männlichkeit nur unzureichend oder gar nicht zur Verfügung stehen, kann allerdings auch das archaische Muster interpersonaler Dominanz – und damit dann auch eine Orientierung an Bedrohlichkeitsinszenierungen und physischer Gewalt
Ressourcen kapitalisieren
Selbst wenn es so scheint, als machten männliche Kinder und Jugendliche gesellschaftlich häufiger Probleme als ihre Altersgenossinnen: Junge Burschen sind mehr als Problemfälle. Als Kinder beziehungsweise Jugendliche sind sie Menschen in Entwicklung, Menschen, die darauf ausgerichtet sind, eine orientierungs- und handlungssichere, einzigartige Persönlichkeit mit sozialer Anschlussfähigkeit aufzubauen. Obschon ihre individuellen Praxen dabei höchst variationsreich ausfallen, zeigen sie in ihrem Durchschnitt doch alters- und geschlechtsspezifische Muster: Jungsein und Jungesein prägt sich in bestimmter Weise aus. Kennzeichnend ist dabei weniger ein Muster von Devianz, Delinquenz und Gewalt, sondern vor allem die Suche von und das proaktiv experimentierende Umgehen mit Herausforderungen. Diese liegen in erster Linie auf vier Feldern:
Jungen suchen handlungsbezogene (insbesondere erkundungsorientierte und wettbewerbliche) Herausforderungen, um sich als bewältigungskompetente, selbstwirksame und kontrollfähige Subjekte zu erfahren, die "die Dinge im Griff“ haben.
Jungen wollen vitale physisch-sinnliche Bedürfnisse realisieren beziehungsweise mit ihrer Befriedigung experimentieren.
Jungen suchen nach Integration – besonders in geschlechtshomogene Zusammenschlüsse von Gleichaltrigen (peers), aber auch in andere soziale Kontexte (familiäres Aufgehobensein, schulische Anerkennung, in der Jugendphase: Paarbeziehungen).
Jungen stellen Sinn-Fragen; sie wollen wissen, wozu von ihnen abgeforderte Tätigkeiten wie etwa lernen, arbeiten, helfen, öffentliche Belange berücksichtigen und gegebenenfalls auch beten gut sind und wie sie das umsetzen können, was ihnen sinnvoll erscheint.
Kurzum: Jungen fordern Lebensgestaltungsmöglichkeiten ein. Insofern sie dies nicht anders tun als Mädchen, wird deutlich: Jungen sind nicht nur männlich, sie sind auch junge Menschen. Insoweit sich ihre Lebensgestaltungsversuche jedoch von denen der meisten Mädchen unterscheiden, werden Orientierungspunkte relevant, die aus bio-physischen Charakteristika, männlichen Praxen sowie Männlichkeitsvorstellungen, Mannhaftigkeitsdefinitionen und wahrgenommenen Mannbarkeitsoptionen abgeleitet werden. Mit ihnen auf eine Weise balancieren zu können, die weder individuell noch sozial schädigend wirkt, mehr noch: die die Entwicklung einer selbst- und sozialkompetenten Persönlichkeit und die Gestaltung befriedigender Lebensverhältnisse vorantreibt, stellt eine erhebliche Ressource privater und gesellschaftlich relevanter Lebensführung dar.
Gesellschaftlich und pädagogisch werden junge Kerle gegenwärtig eher als Problemgruppe betrachtet: als Unruhestifter im öffentlichen Raum, als Krawallbrüder im Fußballstadion und anderswo, als (potenzielle) Kriminelle und Gewalttäter, als Störer im Unterricht, als Schulversager oder exzessive Alkohol- und dumpfe Ballerspiel-Konsumenten. Ihre überproportionale Betroffenheit von Phänomenen wie den genannten ist ebenso unbestreitbar wie die Notwendigkeit, sich mit solchen Problemen auseinanderzusetzen. Nur: Die überwältigende Mehrheit der Jungen geriert sich anders. Differenzierung tut Not. Gerade jene stärker in den Blick zu nehmen, die mit den hier erörterten Herausforderungen positiv umgehen, ist vermutlich viel mehr von Nutzen als eine einseitige Problemzentrierung.
Politik und Pädagogik für Jungen sollten sich nicht darauf beschränken, aus "Anti-Haltungen“ heraus Strategien der Vermeidung rückwärtsgewandter maskulinistischer Orientierungen zu überlegen. Entwürfe für neuartige Orientierungsmarken von Mannwerdung und Männlichkeit lassen sich auch aus einem "Pro“ gewinnen. So gesehen kommt es darauf an, jenseits homogenisierender Problemzuschreibungen die Ressourcen von zahlreichen Jungen zu identifizieren und sie als ihr sozial-kulturelles Kapital anzuerkennen: Experimentierfreude, Risikobereitschaft, unter Coolness suggerierendem Understatement verborgene Anstrengungsbereitschaft in Schule und Beruf, Akzeptanz von Regeln, Verantwortungsübernahme, Humor und Schlagfertigkeit, Freundschaft, Solidarität, Hilfsbereitschaft, soziales Engagement, Bereitwilligkeit zur Übernahme "weiblich“ konnotierter Aufgaben, Offenheit für aussichtsreich erscheinende Jungenförderungsprojekte und anderes mehr.
Vor diesem Hintergrund ist eine Politik für Jungen, der private und institutionelle Umgang mit ihnen und insbesondere auch eine Arbeit mit Jungen in Kindergarten, Schule und Jugendhilfe weniger eine Frage der richtigen Methodik. Vielmehr ist sie eine der Haltung.