Das Thema Vaterschaft hat Hochkonjunktur in Deutschland. Ob in den Medien, in der Wissenschaft oder in der Politik – in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ist zunehmend von "aktiven“ oder "neuen“ Vätern die Rede, die an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder bewusst teilhaben wollen, anstatt sich auf die finanzielle Absicherung der Familie zu beschränken.
Betrachtet wird die Vereinbarkeitspolitik als Teilbereich der Familienpolitik. Am Beispiel von Mutterschaftsurlaubsgeld, Erziehungsgeld und Elterngeld wird überprüft, ab wann und in welcher Form Väter Zielgruppe der finanziellen Absicherungsmaßnahmen der Erziehungszeit von Kleinkindern waren. Anhand einer Diskursanalyse wird erforscht, aus welchen Gründen Väter dabei jeweils ausgeschlossen oder angesprochen wurden. Um auszuloten, ob und in welchem Maße die Gesetze das Verhalten der Väter tatsächlich beeinflussen konnten, wird ihre Reaktion einerseits anhand der Inanspruchnahme von Erziehungsgeld und Elterngeld und andererseits anhand der Entwicklung ihres Verständnisses der Vaterrolle beleuchtet. Um im Anschluss das Verhältnis zwischen Staat und Vätern am Beispiel der Vereinbarkeitspolitik einordnen zu können, sind zunächst jedoch einige theoretische und analytische Grundlagen nötig.
Wohlfahrtsstaat und Geschlecht
In den 1980er Jahren begannen deutsche Sozialwissenschaftlerinnen damit, den Zusammenhang zwischen Wohlfahrtsstaat und Geschlecht systematisch zu untersuchen. Dabei lag ihr Fokus zunächst auf Frauen. Sie analysierten, inwiefern Staaten durch ihre Sozialpolitik die geschlechtsstereotype Arbeitsteilung förderten und verstärkten, nach welcher die Frau für die unbezahlte Familien- und Haushaltstätigkeit zuständig war und der Mann für den finanziellen Unterhalt der Familie. Diese Arbeitsteilung brachte wesentliche Nachteile für Frauen mit sich, da finanzielle und soziale Absicherung an Erwerbstätigkeit gebunden war, während häusliche Tätigkeiten zu keinerlei Ansprüchen auf Leistungen außerhalb der Sozialhilfe berechtigten. Soziale Absicherung bestand für Hausfrauen demnach nur abgeleitet von ihren Ehemännern, wodurch Abhängigkeiten begründet und verstärkt wurden. So formulierte Ute Gerhard, dass die „bisherige Sozialpolitik, die einseitig die Interessen von Männern vertritt, sich an der Aufrechterhaltung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung beteiligt“, sie entpuppe sich gar als „wichtiges Instrument patriarchaler Herrschaft“.
Männer rückten in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung erstmals mit Aufkommen der Adult-worker-Norm nicht mehr nur als Ernährer, sondern auch als aktive Väter in den Fokus.
Während im Mainstream der sozialwissenschaftlichen Debatte die Frage dominiert, in welcher Form Staat und Markt die Familie dafür in ihren Funktionen unterstützen können, ist in der geschlechtersensiblen Wohlfahrtsstaatsforschung die Forderung aufgekommen, Anreize dafür zu schaffen, dass Mütter auch innerhalb der Familie durch eine partnerschaftlichere Arbeitsteilung entlastet werden.
Mutterschaftsurlaubsgeld, Erziehungsgeld, Elterngeld
Vor dem Hintergrund der bisherigen Analyse der Beziehung zwischen Wohlfahrtsstaaten und Vätern soll nun anhand der Vergütung von Erziehungsurlaubszeiten betrachtet werden, wie die deutsche Vereinbarkeitspolitik in den vergangenen 30 Jahren an Väter herantrat.
1979 wurde von der sozialliberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt (1974–1982) ein Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub von vier Monaten im Anschluss an die Mutterschutzfrist eingeführt. Zuvor erwerbstätige Mütter erhielten für diesen Zeitraum vom Staat ein lohnabhängiges Mutterschaftsurlaubsgeld von maximal 750 DM monatlich. Sie blieben beitragsfreie Mitglieder der Kranken-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung, denn das Arbeitsverhältnis galt als nicht unterbrochen.
Im Jahr 1986 ersetzte die Regierungskoalition aus Union und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl (1982–1998) das Mutterschaftsurlaubsgeld durch das Erziehungsgeld. Formal waren dafür nun beide Elternteile anspruchsberechtigt. Als weiterer Unterschied zum Mutterschaftsurlaubsgeld war für den Erhalt des Erziehungsgeldes kein bestehendes Arbeitsverhältnis mehr Voraussetzung, das heißt, auch Hausfrauen konnten es beantragen. Das Erziehungsgeld stellte zudem keine Lohnersatzleistung dar, sondern betrug pauschal 600 DM monatlich und wurde bis zum zehnten Lebensmonat des Kindes gezahlt. Bis zum sechsten Lebensmonat hatten die Bezieher einkommensunabhängig ein Recht auf ungeminderte Leistungen, danach galten dafür Einkommensgrenzen.
2007 wurde von der Großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (2005–2009) von der Familienministerin Ursula von der Leyen das Elterngeld eingeführt, welches das Erziehungsgeld ablöste. Zu den wesentlichen Unterschieden zählt, dass es sich bei dem Elterngeld um eine Lohnersatzleistung handelt, die 67 Prozent des vorherigen Nettogehaltes ersetzt. Das bietet auch Familienernährern die Möglichkeit, ihre Berufstätigkeit zugunsten der Kinderbetreuung zu unterbrechen. Zwei nicht übertragbare Partnermonate bieten dazu einen zusätzlichen Anreiz. Die Bezugsdauer wurde von zuletzt 24 Monaten beim Erziehungsgeld auf maximal 14 Monate verkürzt, wodurch eine rasche Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes begünstigt wird. Das Elterngeld zielt demnach nicht nur rhetorisch, sondern auch mit finanziellen Mitteln darauf ab, Väter zur Übernahme von Betreuungsarbeit innerhalb der Familie zu bewegen und die Arbeitsmarktanbindung von Frauen zu stärken.
Innerhalb von knapp 30 Jahren hat sich demnach bei der Gestaltung dieses Zweiges der bundesdeutschen Familienpolitik die Haltung gegenüber Vätern von Ausgrenzung über scheinbare Integration hin zu gezielter Ansprache gewandelt. Im Folgenden wollen wir untersuchen, warum es so kam.
Diskursanalyse
Zwischenzeitlich wurde in der geschlechtersensiblen Wohlfahrtsstaatsforschung die zuvor so einmütig unterstellte Einflussmöglichkeit staatlicher Politik auf gelebte Geschlechterrollen in Frage gestellt. Stattdessen wurde die Bedeutung kultureller Leitbilder für die Prägung von Geschlechtsidentitäten hervorgehoben.
Den Feststellungen des französischen Sprachphilosophen Michel Foucault zufolge handelt es sich bei einem Diskurs um gängige Vorstellungen und Aussagen zu einem Thema, die dessen Wahrnehmung und weiterführende Gestaltung prägen können.
Das 1979 eingeführte Mutterschaftsurlaubsgeld wurde im Gesetzentwurf damit begründet, dass Frauen Zeit haben sollten, sich in den ersten Monaten ganz und gar ihrem Kind zu widmen, damit es beste Entwicklungschancen habe. Hier verband sich die Begründung durch das Kindeswohl eng mit dem Mutterschutz. Die Debatte war hauptsächlich auf Mütter zentriert, aktive Vaterschaft war im politischen Diskurs hingegen eher eine abstrakte Idee und galt nicht wirklich als realisierbare Möglichkeit. Zudem wurde das Mutterschaftsurlaubsgeld im Rahmen eines Konjunkturprogramms eingeführt und sollte eigentlich der Entlastung des Arbeitsmarktes dienen, indem die durch die Auszeit der Mütter frei werdenden Arbeitsplätze mit Arbeitssuchenden besetzt werden sollten.
Als Zielsetzung des 1986 eingeführten Erziehungsgeldes wurde hingegen die gesellschaftliche Anerkennung häuslicher Betreuungs- und Erziehungsarbeit betont. Zudem sollte es eine finanzielle Möglichkeit für den Berufsausstieg bieten und auf diese Weise Wahlfreiheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Eine konstante elterliche Betreuung wurde weiterhin als unerlässlich für das Wohl des Kindes erachtet. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau sollte durch die geschlechtsneutrale Anspruchsberechtigung gestärkt werden.
Schon vor der Einführung des Elterngeldes 2007 hatte sich diese Gesinnung unter den Politikerinnen und Politikern grundlegend geändert. Wie in den Sozialwissenschaften in Verbindung mit dem Schlagwort der Adult-worker-Norm festgestellt, hat der Kampf gegen den demografischen Wandel die Prioritäten gravierend verschoben. Im Zuge der "Nachhaltigen Familienpolitik“ unter der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders (1998–2005) mit Familienministerin Renate Schmidt (ab 2002) wurde zum einen eine Stärkung der Frauenerwerbstätigkeit als Möglichkeit der Arbeitskräftesicherung in Zeiten des Fachkräftemangels ausdrücklich gewünscht, zum anderen wurde das Elterngeld gerade im Zeitraum seiner Erarbeitung als Mittel zur Geburtensteigerung ersonnen und angepriesen. Dies geht nicht nur aus den volkswirtschaftlichen Gutachten hervor, die es vorgeschlagen haben.
Die anfänglich stark auf Geburtenerhöhung zielende Argumentation zur Einführung des Elterngeldes wurde erst im Laufe der parlamentarischen Beratungen abgelöst von der Begründung mit einer partnerschaftlichen Arbeitsteilung und einer Verschiebung der Rollenverständnisse. Innerhalb der Unionsfraktion blieb jedoch die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen auch im Gesetzgebungsprozess die einzige, die einen Ausgleich der Geschlechterrollen als Zielsetzung explizit ansprach. Andere Abgeordnete ihrer Partei unterschlugen diesen Aspekt in ihrer Argumentation entweder oder lehnten die staatliche Unterstützung aktiver Vaterschaft als Eingriff in die Privatsphäre der Familie offen ab.
Reaktion der Väter
Wie reagierten die Väter in Deutschland darauf, dass sie von der Familienpolitik zunehmend dabei unterstützt und von ihr auch dazu angehalten wurden, sich aktiv am Familienleben zu beteiligen? Rückschluss auf diese Frage bietet zum einen der Umfang, in dem sie von den ihnen zur Verfügung stehenden vereinbarkeitspolitischen Maßnahmen Gebrauch gemacht haben. Während in den 20 Jahren, in denen das Erziehungsgeld in Kraft war, maximal 4,6 Prozent der Antragsteller männlich waren, stieg ihr Anteil beim Elterngeld seit seiner Einführung im Jahr 2007 von 7,5 Prozent auf aktuell 25,3 Prozent an. Inzwischen beteiligt sich demnach jeder vierte Vater an der Maßnahme.
Zum anderen gab es in den zurückliegenden Jahrzehnten immer wieder Einstellungsbefragungen, welche die Haltungen von Männern zu ihrer Geschlechterrolle und zu Vaterschaft erhoben haben. Während sich bei der ersten großen Einstellungsbefragung deutscher Männer durch Helge Pross im Jahr 1978 noch ein Großteil der Befragten hauptsächlich als "Ernährer“ verstand, waren es bei einer Befragung im Auftrag des Familienministeriums im Jahr 2009 zum Beispiel nur noch 38 Prozent, die dieses Rollenverständnis äußerten. 46 Prozent der befragten Männer unter 45 Jahren sahen sich aktuell oder in Zukunft hingegen eher als "aktive Erzieher“.
Väter als Zielgruppe der deutschen Familienpolitik – eine Bilanz
Der Vergleich der vereinbarkeitspolitischen Instrumente des Mutterschaftsurlaubsgeldes, des Erziehungs- und des Elterngeldes verdeutlicht, dass sich die Haltung in der deutschen Familienpolitik gegenüber Vätern in ihrer Eigenschaft als Betreuer und Erzieher von Kindern grundlegend gewandelt hat. Waren sie im Falle des Mutterschaftsurlaubsgeldes noch von der Maßnahme ausgeschlossen, wurden sie beim Erziehungsgeld zwar formal einbezogen, jedoch durch die finanzielle Ausgestaltung des Gesetzes nicht wirklich bei aktiver Vaterschaft unterstützt. Anders im Falle des Elterngeldes: Hier wird ihnen durch den Lohnersatz die Auszeit vom Beruf nicht nur ermöglicht, die Partnermonate bieten ihnen zusätzlich einen handfesten Anreiz dafür.
Die Diskursanalyse hat gezeigt, dass die frühere Zurückhaltung der Familienpolitik gegenüber Vätern daran lag, dass Kinderbetreuung beinahe ausschließlich als Frauensache empfunden wurde und dass kein Interesse daran bestand, Frauen zur Erwerbstätigkeit zu ermuntern. Das änderte sich grundlegend im Zuge der "Nachhaltigen Familienpolitik“ ab Anfang des neuen Jahrtausends. Um mit den Folgen des demografischen Wandels umgehen zu können, ist seither sowohl eine Stärkung der Frauenerwerbstätigkeit als auch eine Steigerung der Geburtenrate erwünscht. Eine partnerschaftliche Arbeitsteilung im familiären Bereich gilt als strategisch wichtiger Baustein, um beide Ziele erreichen zu können. Folglich wurde die Unterstützung aktiver Vaterschaft auf politischer Ebene nicht aus normativen Gründen im Sinne einer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern geboren, wie in der geschlechtersensiblen Wohlfahrtsstaatsforschung gefordert, sondern aus den genannten volkswirtschaftlichen Gründen. Ungeachtet dessen haben Maßnahmen wie das Elterngeld eine Entwicklung hin zu einer partnerschaftlicheren Arbeitsteilung innerhalb der Familien angestoßen und wurden im Nachhinein auch so gerechtfertigt.
Ihre Wirksamkeit ist an der Reaktion der Väter erkennbar, die den Gesinnungswandel in der Politik grundsätzlich widerspiegelt. Das ist sowohl anhand der Einstellungsbefragungen ersichtlich, als auch an der steigenden Inanspruchnahme des Elterngeldes. Dieser Befund bestärkt den Kenntnisstand in der geschlechtersensiblen Wohlfahrtsstaatsforschung, wonach staatliche Politik einen Einfluss auf die gelebten Rollenbilder ausübt. Eine solche Feststellung schließt jedoch keinesfalls die Wirkung kultureller Leitbilder aus, die ihrerseits unter anderem von politischen Maßnahmen geprägt werden und diese wiederum prägen. Zudem wird dadurch auch nicht die Bedeutung anderer Faktoren wie der Persönlichkeit des Vaters, des familiären und sozialen Umfeldes sowie seiner Bildung und der Situation am Arbeitsplatz in Frage gestellt.