Im März 2001 sorgte ein Verwaltungsakt in Österreich für mediale Aufregung: Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz richtete eine "Männerpolitische Grundsatzabteilung“ ein. Durchgesetzt vom Koalitionsbündnis aus konservativer ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ, stand das Vorhaben anfangs stark in der Kritik. Die damals oppositionelle SPÖ und viele Verbände fürchteten die Umschichtung von Fördergeldern zu Lasten von Frauenprojekten. Mittlerweile regiert eine Große Koalition die Alpenrepublik, ein Sozialdemokrat übernahm die Verantwortung für das umstrittene Ressort. Die polarisierten Fronten haben sich weitgehend aufgelöst, die Diskussion wird längst nicht mehr so kontrovers geführt wie vor gut zehn Jahren.
"Männerpolitik“ ist ein missverständlicher Begriff. Ist der übliche Politikbetrieb nicht immer schon Männerpolitik gewesen, geprägt von geschlechterpolitischer Blindheit und der selbstverständlichen Verteidigung männlicher Privilegien? In einem männeremanzipatorischen Verständnis dagegen bedeutet Männerpolitik etwas anderes: einen politischen Ansatz, der männliche Interessen, Bedürfnisse und auch mögliche Diskriminierungen unter Gender-Aspekten betrachtet und entsprechend Einfluss zu nehmen versucht – als eigenständiges Pendant zur Frauenpolitik.
Diese Deutung hat sich noch längst nicht überall durchgesetzt. Geschlechterpolitik war lange Zeit ausschließlich Frauensache und wurde von den Akteurinnen auch so definiert: als Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsstrategie "von und für Frauen“, als Ausgleichspolitik, bei der Frauen gewinnen und Männer auf Vorrechte verzichten sollten. Selbst Männer, die mit den Zielen des Feminismus im Grundsatz sympathisierten, hatten in diesem Arbeitskontext wenig Gelegenheit, eine produktive andere Sichtweise einzubringen. Männer waren bei der Institutionalisierung von Frauenpolitik Anfang der 1980er Jahre, als in Behörden und anderen Institutionen die ersten Frauenbeauftragten ihr Amt übernahmen, schlicht keine Adressaten von Gleichstellungspolitik.
In den Bezeichnungen vieler Bundes- oder Landesministerien tauchten seither, meist im Rahmen einer Aufzählung der Benachteiligten, "Frauen“ als Zielgruppe auf. "Männer“ blieben stets unerwähnt. Auf Nachfragen (wenn diese nicht gleich auf völliges Unverständnis stießen) hieß es, männliche Anliegen würden "mitgedacht“. Männer galten pauschal nicht als hilfsbedürftig und damit auch nicht als förderungswürdig. Sie schienen in keiner Lebenslage Benachteiligungen zu erfahren oder gar "Opfer“ zu sein.
Lockerungsübungen
"In den 1970er Jahren hatten die Feministinnen in ihren Diskursen 'die Männer‘ einerseits als geschlossene herrschende Geschlechtergruppe beschrieben und sie andererseits doch zu individuellen Veränderungen und zur Unterstützung aufgerufen“, resümiert Ilse Lenz in ihrem historischen Standardwerk: "Die paradoxe Konstellation zwischen Frauenbewegungen und emanzipativen Männern lockerte sich ab Mitte der 1980er Jahre auf.“ Neue persönliche und politische Erfahrungen trugen dazu bei, das negativ gefärbte "Kollektivbild des Mannes“ zu korrigieren.
Erst in den 1990er Jahren wurde diese Veränderung in der Geschlechterpolitik deutlicher spürbar. Einzelne Gleichstellungsbeauftragte (wie die Frauenbeauftragten nun häufig hießen) begannen auch Männer anzusprechen. Vor allem interessierte sie das Thema "Väter“, von dem sie sich eine Entlastung der Mütter bei der Familienarbeit erhofften. Mitarbeiterinnen aus dem Arbeitsfeld Gleichstellung haben in vielen Unternehmen und Institutionen bis heute eine Türöffner-Funktion, wenn es darum geht, mit männerpolitischen Anliegen an den Kern der (männlichen) Zielgruppen heranzukommen.
In solchen von Frauen angeregten Settings stoßen "emanzipatorisch“ orientierte Männer bisweilen auf die kühle und schweigsame Abwehr ihrer Geschlechtsgenossen. Führungskräfte in großen Konzernen lassen sich nur ungern dazu auffordern, weniger zu arbeiten und das "gute Leben“ jenseits der traditionellen Karriere nicht aus den Augen zu verlieren. Einladende Gleichstellungsbeauftragte sind immer noch überrascht, wenn sie Männer im öffentlichen Raum über Gefühle, Zumutungen und persönliche Probleme reden hören. Derartige neue Erfahrungen können aber nur gemacht werden, wenn Männer und Frauen sich nicht in separierte Nischen zurückziehen, sondern gemeinsam geschlechterpolitische Perspektiven entwickeln.
Mann als Depp?
Für Männer ist wichtig, dass ihnen andere Männer abweichende Formen von Männlichkeit in attraktiver Weise vorstellen. Selbstbewusste Pioniere können im besten Fall andere Arbeitsmuster unter Männern akzeptanzfähig machen und so Betriebskulturen schleichend verändern. Ein zäher Prozess, denn je vielfältiger die männlichen Lebensentwürfe werden, desto größer sind die Irritationen und desto heftiger die Gegenbewegungen, die auf klarer Akzentuierung traditioneller Männlichkeitsmuster beharren. Gerade weil althergebrachte Aufgaben wie die des finanziellen Versorgers nicht mehr so einfach zu erfüllen sind, werden männliche Rollenexperimente lächerlich gemacht.
In den vergangenen 20 Jahren hat eine kulturelle Umdeutung des Mannes stattgefunden. Überspitzt ausgedrückt ist aus dem "geachteten Ernährer“ vielfach der „verspottete Depp“ geworden. Der Männerforscher Walter Hollstein
Wie lässt sich mit scheinbar "unbeweglichen“ Männern ins Gespräch kommen? Bestimmt nicht mit Vorwürfen und Beleidigungen als Einstieg. Wenn zum Beispiel Väterlichkeit gleich mit dem Klischee vom "Familienflüchtling“ oder gar mit der These vom "faulen Geschlecht“
Schon die britische Autorin Rosalind Coward weist in ihrem Buch "Unsere trügerischen Herzen“
Mangelnde Gelassenheit
Im öffentlichen Diskurs fällt es insbesondere Frauen bisweilen schwer, kritischen Beiträgen männlicher Geschlechterforscher mit Interesse und Offenheit zu begegnen. Peter Döge und Rainer Volz haben 2006 in ihrer Studie "Weder Pascha noch Nestflüchter“
Ein anderes Beispiel: Um das Thema "neue Väter“ zu diskreditieren, spielen manche Frauen die Zahl der Männer in Elternzeit herunter. Von "Mitnahmeeffekten“ oder einer "Vater Morgana“ ist die Rede, begleitet von skeptischen Zwischenrufen wie "Elchjagd“ oder "Fußballweltmeisterschaft“. Diese wollen darauf hinweisen, dass Männer in Skandinavien (von dort stammt die Idee der Väterzeit) ihre "Papamonate“ statistisch betrachtet häufig im Sommer nehmen. Doch was ist dagegen zu sagen? Wenn Männer glauben, sich mehr als ein paar Monate berufliche Auszeit nicht leisten zu können, warum sollten sie diese Pause dann im Januar bei Schnee und Eis machen? Und kann es nicht durchaus engagierte Väterlichkeit sein, mit seinem Sohn oder seiner Tochter zusammen ein Fußballspiel anzuschauen?
In Deutschland ist die Quote der Männer in Elternzeit seit der Einführung einer Lohnersatzleistung rasant gewachsen. Vor der Reform nahmen lediglich rund drei bis fünf Prozent der Väter Erziehungsurlaub; im Einführungsjahr 2007 gingen dann schon 10,5 Prozent in Elternzeit, mittlerweile sind es rund 25 Prozent.
Verschwörungston und Ressentiments
Die Haltung in Teilen der Frauenbewegung, die "Männer in Bewegung“ abzuwerten und männliche Nachteile in bestimmten Lebensbereichen zu leugnen, provoziert Gegenreaktionen und hat möglicherweise auch zum Auftauchen und Erstarken antifeministischer Männerrechtler beigetragen. Vor allem in privat oder beruflich deklassierten Milieus, etwa unter Trennungsvätern und "Quotengeschädigten“, werden männliche Opfererfahrungen politisiert und manchmal zu absurden Verschwörungstheorien ausgebaut. Den Akteuren gehe es "um die Stärkung oder zumindest den Erhalt männlicher Vorrechte“, glaubt der Sozialwissenschaftler Hinrich Rosenbrock, der die Denkweisen dieser antifeministischen Netzwerke untersucht hat: "Dies gipfelt teilweise in Vernichtungsphantasien gegen den Feminismus und auch gegen einzelne feministische Personen.“
Männerrechtler melden sich vor allem in rechtskonservativen Medien zu Wort. Ihre Kernthese lautet: Die Gleichstellung der Geschlechter sei erreicht, die Emanzipation der Frauen abgeschlossen. Sie klagen über eine "Kaste der Genderfunktionäre“, deren kulturelle Hegemonie jeden Widerspruch unterdrücke. Mit der gesellschaftlichen Realität hat das wenig zu tun: Denn wann immer die (von Männern dominierten) Leitmedien sich in der Vergangenheit mit dem komplizierten Wortpaar Gender Mainstreaming beschäftigten, schwankte die Bewertung zwischen lächerlich und gefährlich.
Wissenschaftlicher Kronzeuge der Männerrechtler ist häufig Gerhard Amendt. Der Soziologe, einst Vorkämpfer für die Legalisierung der Abtreibung mit gutem Ruf in linksliberalen Kreisen, behauptet zum Beispiel, Frauen seien in privaten Beziehungen ebenso gewalttätig wie Männer. In der Tageszeitung "Die Welt“ forderte er gar die Abschaffung der Frauenhäuser: Wegen ihrer "antipatriarchalen Kampfrhetorik“ und einer "Ideologie des Radikalfeminismus“ seien die dort Tätigen zu "professionellen Interventionen“ nicht fähig.
Auch das Wochenmagazin "Focus“ schrieb mit regelmäßigen Berichten über Männer als das "geschwächte Geschlecht“ eine "neue Bürgerrechtsbewegung“ geradezu herbei.
Zugleich versuchen Antifeministen, emanzipatorische Begriffe wie "Befreiung“ oder "Geschlechterdemokratie“ im eigenen Sinne umzudeuten. Nach dem Muster der US-amerikanischen Tea Party präsentieren sie sich als Freiheitskämpfer und Bewahrer von Bürgerrechten. So trägt der Online-Auftritt "freiewelt.net“ den nüchternen Untertitel "Die Internet- & Blogzeitung für die Zivilgesellschaft“. Eine andere Publikation nennt sich "eigentümlich frei“ – die Macher betrachten sich als Libertäre, sprachlich wie personell aber gibt es Überschneidungen zur "Jungen Freiheit“. Ein wichtiges Argumentationsmuster sind Biologismen, welche die populäre These "Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ aufgreifen. Ausgesuchte Hinweise auf Hirnforschung oder Verhaltensbiologie untermauern fragwürdige Behauptungen zur Geschlechterdifferenz. So entstehen vereinfacht abgeleitete, angeblich natürliche Rollenstereotype. Den Befürwortern des Gender Mainstreaming wird vorgehalten, eine "anthropologische Neutralisierung“ anzustreben und wissenschaftlich belegte Unterschiede zu leugnen.
Eine weitere Denkfigur ist der Anti-Etatismus. Männerrechtler wenden sich häufig gegen eine angebliche Bevormundung durch öffentliche Institutionen, die sich ihrer Ansicht nach viel zu sehr in die Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau einmischen, und schüren – auch in der Debatte um Krippen und Kitas – Ressentiments gegen den intervenierenden Staat.
Zwischen Dialog und Selbstviktimisierung
Die Herausgeber des antifeministischen Sammelbands "Befreiungsbewegung für Männer“ forderten 2009 "das Ende des weiblichen Geschlechtermonologs“ und eine "offensive Interessenvertretung der Männer“.
2011 gelang es dem Verein, im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), einer der größten Sozialforschungseinrichtungen in Deutschland, eine gut besuchte Veranstaltung anzuregen: "Mann und Frau: 'Wie soll’s eigentlich weiter gehen?‘ Obwohl es dem Podium dabei nicht an Agens-Vertretern oder -Unterstützern mangelte und WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger an der Diskussion teilnahm, beschwerte sich Agens im Nachhinein auf der eigenen Homepage über eine angebliche "Diskursverweigerung“ der Gastgeberin, weil die antifeministischen Thesen der Agens-Referenten im Publikum nicht besonders gut angekommen waren. Das Reaktionsmuster kann als typisch gelten: Aus der gekränkten Haltung, man werde mit seinen Anliegen übersehen und ausgegrenzt, entsteht ein zusätzliches Element der Selbstviktimisierung – unabhängig davon, wie viel Aufmerksamkeit man tatsächlich erlangen konnte.
Historische Parallelen
Was bedeutet das Aufkommen einer sich „freiheitlich“ gebenden, im Gedankengut aber eher rechtskonservativen "Männerrechtsbewegung“ für die Zukunft von Männerpolitik? Progressive und rückwärts gewandte Strömungen existieren unter "Männerbewegten“ von jeher nebeneinander. Auseinandersetzungen über traditionelle und moderne Selbstverständnisse hat es immer wieder gegeben, die Parallelen reichen weit zurück.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts und später auch in der Weimarer Republik meldeten sich in Deutschland Antifeministen zu Wort. 1912 bildeten sie mit dem „Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation“ erstmals eine eigene Organisation. Diese gründete sich nicht zufällig am Vorabend des Ersten Weltkriegs, in den viele Rekruten auch deshalb begeistert zogen, weil sie sich davon eine unhinterfragte Wiederherstellung männlich-hegemonialer Werte versprachen. "Von der fortbestehenden faktischen Diskriminierung der Frauen wenig irritiert, imaginierten viele Männer einen Machtantritt der Frauen“, schreibt Claudia Bruns: "Das antifeministische Ressentiment gehörte zum guten Ton im nationalkonservativen und völkischen politischen Spektrum der Gesellschaft. Sein zentrales Motto lautete 'Dem Mann der Staat, der Frau die Familie‘.“
Knapp 20 Jahre danach verlangte Heinrich Berl in einem "antifeministischen Manifest“, dass sich eine Männerbewegung konstituieren müsse. Der "allgemeine Feminismus“ führe zur "decadence der Kultur“. Die Männerbewegung habe "den Auftrag, all das wieder zur Ruhe zu bringen, was sich heute bewegt und insofern erst die eigentliche und wesentliche Bewegung zu schaffen, die immer des Mannes war und sein wird“, formulierte Berl kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Sein Manifest blieb allerdings ein Einzelphänomen; die geforderte Bewegung blieb, jedenfalls unter dezidiert geschlechterpolitischen Vorzeichen, aus.
In der "Männergruppenszene“,
Ansätze staatlicher Männerpolitik
Die schwarz-gelbe Bundesregierung kündigte nach der Bundestagswahl 2009 in ihrem Koalitionsvertrag eine "eigenständige Jungen- und Männerpolitik“ an. Mit der Schaffung des Referats 408 "Gleichstellungspolitik für Männer und Jungen“ im Familienministerium wurde dem Thema erstmals institutionalisierter Raum gegeben. Eines der wichtigsten politischen Ziele besteht darin, Männern Chancen in pädagogischen und pflegerischen Berufen aufzuzeigen. So soll etwa durch die bis 2013 laufende Initiative "Mehr Männer in Kitas“ die sehr niedrige Zahl männlicher Erzieher in Krippen und Kindertagesstätten gesteigert werden.
Abgesehen von dem Projekt "Neue Wege für Jungs“ hatte es weder unter der rot-grünen noch unter der Großen Koalition eine solche männerpolitische Akzentsetzung gegeben. Die einzigen parlamentarischen Anfragen zum Thema Männer und Jungen stellten zuvor die CDU-Fraktion 2004 und die FDP-Fraktion 2008. Beiden Initiativen lag allerdings keine vorrangig geschlechterpolitische Motivation zu Grunde. Sie wurden vielmehr ausgelöst durch alarmistische Interventionen der Arbeitgeber, die sich Sorgen um das geringe Qualifikationsniveau männlicher Schulabgänger machten. Es drohe ein vorwiegend „männliches Proletariat“, warnte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag; ähnlich argumentierte ein Gutachten des Aktionsrates Bildung im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft.
Haben die Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag das Thema "Männerpolitik“ schlicht verschlafen, es versäumt, eigene Akzente zu setzen? Nur wenige (meist weibliche) Abgeordnete beschäftigten sich in der Vergangenheit überhaupt mit Gender-Themen, noch weniger interessierten sich für die männliche Perspektive. Manche Initiativen von Familienministerin Kristina Schröder ("Jetzt sind die Männer und die Jungen dran.“
Eine Idee muss aber nicht falsch sein, nur weil sie der politische Gegner funktionalisiert oder mangelhaft in die Praxis umgesetzt hat. Es kommt auf Deutungen, Gewichtungen und die Wahl der Kooperationspartner an. In Wien wurde das Männerthema vollkommen isoliert von der Frauenpolitik im Sozialministerium angesiedelt, institutionell also kein geschlechterpolitischer Dialog begonnen. In Berlin und Bonn ist das Männerreferat integriert in die Abteilung Gleichstellungspolitik im Familienministerium. So bieten sich grundsätzlich bessere Voraussetzungen für den Austausch zwischen den Akteuren und Akteurinnen in der Geschlechterpolitik.
Dringend notwendig ist, zwischen Männern und Frauen das gängige Täter-Opfer-Schema zu überwinden. Denn einige der von antifeministischen Männerrechtlern zugespitzt skandalisierten Themen sind brisant: Besonders Jungen aus "bildungsfernen“ Schichten haben Schwierigkeiten in der Schule. Erst in jüngster Zeit kommt auch für Männer eine spezifische und vom Staat unterstützte Gesundheitsberichterstattung in Gang – angesichts der über fünf Jahre kürzeren Lebenserwartung des angeblich "starken Geschlechts“ ist das überfällig. Dass Gewalt nicht nur von Männern ausgeht, sondern sich vielfach auch gegen sie richtet, war lange Zeit ein unterbelichtetes Thema. Und so manchem Trennungsvater wird in der Tat übel mitgespielt; Kinder werden nach Scheidungen von Männern wie Frauen zum Faustpfand in Beziehungskonflikten instrumentalisiert. Bei aller Tragik im Einzelfall lässt sich daraus allerdings keine flächendeckende gesellschaftliche Diskriminierung des Mannes qua Geschlecht ableiten.
Die Stilisierung des Mannes zum Opfer "des Feminismus“ ist wenig hilfreich, ein vorurteilsfreier Blick auf die möglichen Nachteile männlicher Lebensentwürfe aber sehr wohl dringlich. Kooperationsbereite Initiativen wie das Bundesforum Männer, das sich im November 2010 als männliches Pendant zum Deutschen Frauenrat gegründet hat, können hier eine wichtige Rolle spielen. Der Zusammenschluss, in dem neben kirchlichen Gruppen und Sozialverbänden auch Jungenarbeiter, Väterinitiativen und Wissenschaftler mitarbeiten, versteht sich als Dachverband und Sprachrohr. In zehn Grundsätzen wird ausdrücklich der "konstruktive Dialog zwischen den Geschlechtern“ befürwortet. Männerthemen müssten in Ministerien und Behörden mehr Beachtung finden, fordert das Forum, das sich von antifeministischen Strömungen jedoch ausdrücklich distanziert hat und die Kooperation mit Vereinen wie MannDat oder Agens ablehnt.
Strategische Einseitigkeit
Männerpolitik wird in der Gleichstellungsdebatte inzwischen zwar als eigenständiger Bereich postuliert. In vielen Praxisfeldern (und in der Förderpraxis der Europäischen Union) aber überwiegt immer noch ein Denken, das Geschlechterpolitik mit Frauenpolitik gleichsetzt. Mitgemeint, aber nicht mitgenannt: Dass das Wort "Männer“ in den Titeln der zuständigen Stellen, in den Bezeichnungen für Kommissionen oder Berichten nicht auftaucht, ist keine Formalie. Vielmehr drücken sich darin, bei allem gutem Willen einzelner, inhaltliche Nachrangigkeit und eine strukturelle Missachtung aus.
Förderprogramme für Jungen oder mehr Männerforschung an den Universitäten müssen keineswegs automatisch zu Lasten der nach wie vor notwendigen Frauenpolitik gehen. Eine partnerschaftliche und dialogische Männerpolitik nimmt Antifeministen den Wind aus den Segeln. Der Gestus des Tabubrechers, der angebliche Denkverbote missachtet, wird auf diese Weise ebenso erschwert wie das Umdeuten von Begriffen wie Befreiung, Zivilgesellschaft oder Geschlechterdemokratie. Wenn sich die konsensorientierten Gruppen stärker öffentlich zu Wort melden, zeigt sich, dass antifeministische Männerrechtler keineswegs die Mehrheit der "Männer in Bewegung“ bilden.
Chancengleichheit und gleichberechtigte politische Strukturen können die Geschlechter nur gemeinsam erreichen. Männerpolitische Anliegen sind jedoch kein bloßer Appendix von Frauenförderung. Zu Recht kritisiert Peter Döge, dass "Organisationskulturen“ in Gleichstellungsprozessen zu wenig angegangen werden: "Es geht um Frauen in Führungspositionen, nicht um den Umbau der Karrieremuster; Frauen sollen zur Bundeswehr und nicht die Bundeswehr soll in eine defensive Verteidigungsarmee umgebaut werden; Frauen sollen in die Wissenschaft, der patriarchale Initiationsritus der Habilitation bleibt unangetastet; Frauen sollen in die Wirtschaft, aber die alles dominierende Profitorientierung wird nicht in Frage gestellt.“ Diese "strategische Einseitigkeit“ führe zu einer "Anpassung von Frauen an männliche Habituskulturen“.
Der Rollenwandel von Frauen bewegt sich nicht im luftleeren Raum. In der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Strukturen, aber auch in den individuellen Aushandlungsprozessen von privaten Beziehungen hängt er stets zusammen mit dem Rollenwandel von Männern. Zumindest Teilgruppen der Männer wollen sich verändern, sie sind "in Bewegung“.