Der Gedenktag für die Opfer des Holocaust – Yom Hashoa – hat in Israel auch 67 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht an Bedeutung verloren. Wenn um 10 Uhr morgens die Gedenksirenen aufheulen, ist das ein bewegender Moment für das ganze Land. Arbeiter unterbrechen ihre Tätigkeiten, mitten auf der Straße steigen Menschen aus ihren Autos und selbst im sonst so turbulenten Supermarkt wird es plötzlich ganz still. Schweigend legen die Menschen eine Trauerminute ein.
Eine offizielle Gedenkzeremonie findet bereits am Vorabend des Yom Hashoa auf dem Gelände der nationalen Gedenkstätte für den Holocaust Yad Vashem statt. Im Beisein des Staats- und Ministerpräsidenten, der Oberrabbiner Israels und zahlreicher Gäste aus dem In- und Ausland entzünden sechs Überlebende exemplarisch sechs Fackeln, welche an die sechs Millionen ermordeten Juden erinnern sollen. In diesem Jahr standen die Feierlichkeiten unter dem Motto: "Der Einzelne und die Gemeinschaft. Jüdische Solidarität während des Holocaust".
Dieser Auftritt war vor allem in einer Hinsicht bemerkenswert: Vor der Gründung des Staates Israel wählten Vertreter des Zionismus das Hebräische bewusst als Nationalsprache, wohingegen das in Osteuropa geläufige Jiddische in Palästina geradezu verfemt wurde. Jiddisch stand für den "alten Juden", den "schwachen Juden aus der Diaspora", wohingegen das Hebräische den neuen, starken und wehrhaften Juden repräsentierte. Dass ein Soldat in einer öffentlichen Zeremonie ein jiddisches Lied singt, wäre daher in der Frühphase des israelischen Staates undenkbar gewesen.
Anhand dieser Erinnerungszeremonie lässt sich nicht nur darlegen, dass das Jiddische – und damit die Kultur der Diasporajuden – im israelischen Kontext eine Aufwertung erfahren hat. Das Beispiel zeigt außerdem, wie kollektive Erinnerungskulturen einem stetigen Wandel unterliegen. Zwar basieren sie auf historischen Ereignissen, doch auch Historiker deuten ihre Quellen unterschiedlich und entscheiden sich, welche Aspekte sie in ihre Geschichtsbilder integrieren.
Was für die kollektive Erinnerung richtig ist, gilt entsprechend auch für die Orte des Erinnerns. Gedenkstätten erzählen von der Vergangenheit. Sie sind jedoch gleichzeitig auch ein Spiegel der Zeit und des Ortes, in denen sie entstanden sind.
Yad Vashem als Spiegelbild der Erinnerungskultur in Israel
Nur wenige Jahre nach dem Unabhängigkeitskrieg 1947 bis 1949 war die historische Beschäftigung mit dem Holocaust keine der dringendsten Prioritäten im jüdischen Staat. Die Bevölkerung des Staates verdoppelte sich, insbesondere durch Zuwanderung orientalischer Juden aus dem Iran, dem Irak, Marokko und Jemen. Vordringlich war, diese Einwanderer in den Staat zu integrieren und gleichzeitig für dessen Sicherheit zu sorgen. Die zahlreichen Herausforderungen, die mit dem Aufbau des jüdischen Staates einhergingen, ließen der jüdischen Bevölkerung nur wenig Raum für die Aufarbeitung der Geschichte der Shoa.
Aufgrund einer Gesetzesvorlage des Erziehungsministers und Historikers Ben-Zion Dinur kam es 1953 dennoch zur Gründung der "Staatlichen Gedenkstätte für Holocaust und Heldentum – Yad Vashem". Das hierbei verabschiedete Yad Vashem Gesetz
Der Name "Yad Vashem" (wörtlich übersetzt "Denkmal und Name") geht auf die Bibelstelle Jesaja 56,5 zurück: "Und denen will ich (…) ein Denkmal (Yad) und einen Namen (Shem) geben; einen ewigen Namen, der nicht vergehen soll." Diese Namensgebung macht deutlich, dass Yad Vashem sich in vielen Aspekten von Gedenkstätten in Deutschland unterscheidet. Das Hauptaugenmerk liegt hier weniger auf der Erforschung des Holocaust, sondern vielmehr in dem Versuch, ein würdiges Andenken an die während des Holocaust ermordeten Juden Europas zu ermöglichen. Das Ziel der Nationalsozialisten bestand nicht nur in der physischen Vernichtung der Juden weltweit, sondern darüber hinaus in dem Versuch, die Juden "aus der Geschichte und aus dem Gedächtnis"
Der Historiker Yechiam Weiz weist darauf hin, dass insbesondere in den 1950er Jahren in Israel die Verteidigung und Bestätigung von zionistischen Ideen als eine der Hauptlehren aus dem Holocaust gesehen wurden.
Reste dieses Geschichtsverständnisses sind noch heute auf dem Gelände von Yad Vashem zu erkennen. Auf dem zentralen Platz des Aufstandes im Warschauer Getto befinden sich zwei Reliefs des polnisch-jüdischen Künstlers Nathan Rapaport. Rapaport hatte diese ursprünglich anlässlich des fünften Jahrestages des jüdischen Aufstands 1948 in Warschau errichtet. Eine Kopie des durchaus umstrittenen
Bei jüngeren Denkmälern auf dem Campus Yad Vashems spielt dieses Pathos weit weniger eine Rolle. Dies zeigt sich eindrücklich an dem von Zadok Ben David geschaffenen Partisanendenkmal aus dem Jahr 2003. Die aus Cortenstahl gefertigte Skulptur in der Form eines Baumes mit dem Titel "Denn der Mensch ist wie ein Baum auf dem Feld" (5. Mose 20,19) besteht aus vielen kleinen Menschen-Figuren, die an verschiedenen Körperteilen und Gliedmaßen miteinander verbunden sind und sich so gegenseitig stützen und festhalten. Im Mittelpunkt der Skulptur stehen nicht etwa die Sabotageaktionen der Partisanen gegen den Feind. Stattdessen beschreibt der Baum die Situation innerhalb der Familienlager. Das Überleben und Kämpfen im Wald war sehr schwierig, dennoch boten die Familienlager auch Kindern und alten Menschen eine Zufluchtsmöglichkeit. Auch kranke und verwundete Mitglieder wurden versorgt. Das Denkmal knüpft damit an eine aktuelle innerisraelische Debatte an: Während die israelische Gesellschaft immer weiter auseinanderdriftet und die Aufsplitterung in Religiöse und Säkulare, Linke und Rechte, Arme und Reiche fast unüberwindbar erscheint, sehnen sich die Menschen nach einer größeren Solidarität zwischen den Menschen, wie es sie angeblich zur Zeit des Holocaust gegeben haben soll.
Das Museum heute
Im März 2005 wurde in Yad Vashem die neue historische Ausstellung eingeweiht. Bereits das Betreten des vom kanadisch-israelischen Architekten Moshe Safdie kreierten Museumsbaus macht deutlich, dass hier mit modernsten und kreativen museumsdidaktischen Methoden ein neuer Zugang zur Geschichte des Holocaust gesucht wurde. Im Gegensatz zu früheren Ausstellungen arbeiteten an dieser Ausstellung hauptsächlich Historiker und Museumsdesigner der Nachkriegsgeneration, welche ihre Prioritäten anders als ihre Vorgänger in den 1970er Jahren setzten. Der Bau selbst besteht aus einem 200 Meter langen, prismaförmigen Betonriegel, der sich durch den Jerusalemer Berg der Erinnerung hindurch bohrt. In unterirdischen Galerien wird der Besucher chronologisch durch die Geschichte des Holocaust geführt. Barrieren in der Mitte der Achse symbolisieren Wendepunkte in der Geschichte. Es würde zu weit gehen, hier auf alle Inhalte und Formen der Ausstellungsgestaltung einzugehen. Doch sollen einige der wichtigsten konzeptionellen Veränderungen gegenüber den früheren Ausstellungen erwähnt werden.
Auffällig an der neuen Ausstellung ist, dass in den meisten Galerien auf das Zeigen jener "Horrorbilder"
In den einzelnen Galerien werden den Besuchern zahlreiche Fotos, künstlerische Dokumentationen, Briefe und persönliche Gegenstände präsentiert, welche die Zuspitzung der Situation für die Juden verdeutlichen. Tagebücher, wie die in der Galerie zum Getto Łódź ausgestellten "Notizen am Rand",
Bemerkenswert an der neuen Ausstellung in Yad Vashem ist weiterhin, dass nunmehr auch die in der NS-Forschung lange Zeit vernachlässigte Täterforschung berücksichtigt wurde. Exemplarisch werden den Besuchern einzelne Täterbiografien vorgestellt, so zum Beispiel die von Karl Kretschmer, Obersturmführer des Sonderkommando 4a in der Einsatzgruppe C. In der Ausstellung findet sich der Auszug eines sehnsüchtigen Briefes Kretschmers vom Sommer 1942 an seine Familie zu Hause. In dem Brief beschreibt er den Anblick der toten Juden als "nicht aufmunternd", doch gäbe ihm der "Glaube an den Führer" die Kraft, auch diese "schwere und undankbare Aufgabe" zu erfüllen. An dieser Stelle wird deutlich, dass jenes Bild des unpersönlichen und gesichtslosen Täters, wie wir es etwa im Relief von Nathan Rapoport vorfanden, durch die Präsentation dieses Briefes gebrochen wird. Auch wenn der Brief Kretschmer nicht von seiner Verantwortung bei der Beteiligung des Massenmordes an den europäischen Juden entbindet – die Täter werden nunmehr als Individuen, als Menschen mit Gefühlen verstanden; ein Umstand, der in früheren Ausstellungen Yad Vashems nicht denkbar gewesen wäre. Die Frage des Umgangs mit solchen Täterbiografien spielt auch in der pädagogischen Diskussion innerhalb Yad Vashems eine wichtige Rolle.
Pädagogische Arbeit
1993 wurde in Yad Vashem die Internationale Schule für Holocaust-Studien (ISHS) eröffnet. Seit ihrer Gründung entwickelte sie eine breite Fülle an Lehrmaterialien und Unterrichtseinheiten, die weltweit an Schulen und außerschulischen Einrichtungen Anwendung finden. Charakteristisch für die in Yad Vashem entwickelten Lehrmittel ist wieder, dass die jüdische Perspektive auf das Geschehen eine zentrale Bedeutung einnimmt. Die Unterrichtsmaterialien sind dabei dem jeweiligen Alter der Schüler angepasst. Während sich junge Kinder der dritten oder vierten Klasse der persönlichen Geschichte einer einzelnen Person – meist einem Kind – widmen sollen und auf die Darstellung zu vieler traumatisierender Details verzichtet wird, rücken bei den Materialien für spätere Altersstufen eine Familie oder eine ganze jüdische Gemeinde in das Zentrum der Auseinandersetzung. Die Möglichkeit einer empathischen Annäherung im jungen Alter soll die Schüler dazu befähigen, sich ab der neunten Klasse dem Thema analytisch zu nähern und historische Prozesse besser einordnen zu können.
Um die entwickelten Lehrbücher und Materialien auch international bekannt zu machen, organisiert die ISHS mehrtägige Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer aus dem Ausland. Während der Seminare diskutieren die Teilnehmenden mit israelischen Pädagogen, inwiefern sich die Vermittlungsansätze Yad Vashems auch im jeweiligen Heimatland umsetzen lassen.
Ein eigenes Desk für die deutschsprachigen Länder ist dabei für die Fortbildungsseminare für Lehrkräfte und Multiplikatoren aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein zuständig. Auf der Website der ISHS finden sich Hinweise zu deutschsprachigen pädagogischen Materialien und Stundenbildern zum Herunterladen. Eine interaktive Website ermöglicht es Schülern, sich "spielerisch" über das Leben der Kinder im Getto zu informieren, und ein deutschsprachiger Youtube-Kanal bietet eine reiche Auswahl an Vorträgen zu Forschung, Erinnerung, Erziehung und Gedenken an den Holocaust. Auch können über den Kanal zahlreiche Zeitzeugeninterviews abgerufen werden.
Auf jährlichen Konferenzen wie dem International Commission on the Holocaust Era Insurance Claims (ICHEIC)-Forum for Holocaust Education diskutiert die ISHS mit ihren internationalen Kooperationspartnern neue Fragestellungen und Herausforderungen der Holocaust-Pädagogik. In diesem Jahr eröffnete die Leiterin des Desks für die deutschsprachigen Länder Noa Mkayton das Forum mit einem Workshop zu der Frage, wie eine sinnvolle pädagogische Beschäftigung mit den Tätern in der zunehmend multikulturell geprägten Lernumgebung Europas aussehen könnte. Während einerseits die Beschäftigung mit den Tätern nicht zu Entwicklung von Empathie führen sollte, müssten die Schüler dennoch befähigt werden, zwischen unterschiedlichen Stufen von Verantwortung zu unterscheiden. Wie differenziert man pädagogisch zwischen Tätern und Mitläufern? Welche Art von Quellmaterialien eignet sich am besten für die Beschäftigung mit den Tätern? Sollten Gender-Fragen in den Unterricht integriert werden? Um Juden nicht auf ihre Opferrolle während des Holocaust zu reduzieren, plädiert die ISHS stets dafür, bei der Beschäftigung auch über deren Leben vor und gegebenenfalls nach dem Holocaust zu sprechen. Sollte dieser Ansatz auch bei der Beschäftigung mit den Tätern gelten? Die nachdenkliche Debatte verdeutlichte, dass die Frage einer zeitgemäßen Holocaust-Pädagogik noch lange nicht abschließend beantwortet ist.
Gerechte unter den Völkern
Betritt man heute das rund 182.000 Quadratmeter große Gelände Yad Vashems, fallen einem die vielen Johannisbrotbäume auf, die auf dem gesamten Areal gepflanzt wurden. Diese immergrünen Bäume sind Teil der "Allee der Gerechten unter den Völkern" und wurden als Anerkennung jener Nichtjuden gepflanzt, die während des Holocaust ihr Leben gefährdeten, um uneigennützig Juden zu retten. Der Name des Geehrten und sein Herkunftsland sind in kleine Metallschilder eingraviert, die vor den einzelnen Bäumen stehen.
Eingeweiht wurde die Allee 1962, ein Jahr später richtete Yad Vashem eine unabhängige Kommission ein, die Regeln und Kriterien zur Anerkennung von "Gerechten" entwickeln sollte. Heute prüft eine eigene "Abteilung zur Anerkennung der Gerechten" in einem sehr strikten Verfahren die Anträge, die hauptsächlich gerettete Juden oder deren Nachfahren in Yad Vashem einreichen. Nur wenn das Komitee, bestehend aus Überlebenden der Shoa, Vertretern der Öffentlichkeit und Mitarbeitern von Yad Vashem, die Verdienste des Retters anerkennt, wird ihm der Titel als "Gerechter unter den Völkern" zugesprochen. Vorsitzender dieser Kommission ist bis heute ein Richter des Obersten Gerichtshofes des Staates Israel.
Die Leiterin der Abteilung der "Gerechten unter den Völkern", Irena Steinfeldt, betont, dass die Ehrung von Rettern keine Selbstverständlichkeit sei.
Archiv
Schon während des Krieges versuchten Juden, die Schrecken des Holocaust zu dokumentieren und damit die Erinnerung an die Menschen wie auch eine historische Aufarbeitung der Zeit zu ermöglichen. Dazu gehörte die Gruppe "Oneg Schabath"
Das 1955 eröffnete Archiv Yad Vashem lehnt sich an Ringelblum an und hat es sich zur Aufgabe gemacht, "alle Zeugnisse zum Holocaust und zu Heldentum zu sammeln, zu erforschen und zu veröffentlichen".
Zentrale Datenbank für die Namen von Holocaust-Opfern
Die namentliche Erfassung möglichst aller sechs Millionen jüdischer Opfer ist ein weiteres wichtiges Anliegen der Gedenkstätte. Ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, sind die sogenannten Gedenkblätter, symbolische "Grabsteine", welche am Ende der Ausstellung in der "Halle der Namen" aufbewahrt werden. Überlebende und Nachkommen werden gebeten, für jedes einzelne Opfer ein Gedenkblatt auszufüllen und mit möglichst vielen Einzelheiten und Fotografien zum Leben ihres Angehörigen zu ergänzen. Auf diese Weise versucht Yad Vashem, die ermordeten Juden nicht auf ihre anonyme Opferrolle zu reduzieren, sondern den Menschen ihre Namen und Gesichter und damit ihre Individualität zurückzugeben. Weiter gibt die Existenz des Gedenkblattes den Überlebenden die Gewissheit, dass die ermordeten Juden nicht aus dem Weltgedächtnis ausgelöscht sind.
Seit den 1990er Jahren werden die Gedenkblätter digitalisiert und seit 2004 sind diese öffentlich über eine Online-Datenbank einsehbar. Von jedem Ort der Welt kann man somit nicht nur einzelne Namen recherchieren, sondern man erhält über eine Suchmaske auch eine Auflistung der jüdischen Bewohner einer bestimmten Stadt oder eines Dorfes. Mittlerweile umfasst die Namensdatenbank von Yad Vashem mehr als vier Millionen unterscheidbare Personen und somit zwei Drittel aller während des Holocaust ermordeten Juden.
Langfristig beabsichtigt Yad Vashem sogenannte Personalakten zu jedem einzelnen Opfer zu erstellen. Dabei würden alle relevanten Dokumente, in denen eine Person erwähnt wird, gebündelt aufgelistet. Neben den Gedenkblättern gehören dazu auch Transportlisten, Geburtsurkunden, Polizeiakten, Evakuierungslisten der Sowjetunion und verschriftlichte Zeitzeugenberichte. Führte man all diese Dokumente zusammen, wäre es möglich, die persönliche Lebensgeschichte der einzelnen Opfer zu rekonstruieren. Aufgrund von Namensdoppelungen, Namensänderungen, unterschiedlichen Schreibweisen von Namen und Ähnlichem ist die automatisierte Erstellung solcher Personalakten jedoch mit zahlreichen technischen Schwierigkeiten verbunden. Bis die ersten Personalakten im Internet einsehbar sein werden, ist es sicherlich noch ein weiter Weg.
Fotografien aus der Zeit des Holocaust
Seit seiner Gründung sammelt Yad Vashem auch Fotomaterial aus der Zeit vor, während und nach dem Holocaust. Die Sammlung umfasst sowohl Schenkungen von Überlebenden beziehungsweise deren Nachkommen als auch zahlreiche Bilder von Privatsammlern und Archiven aus der ganzen Welt. Seit 1983 kümmert sich eine eigene Fotoabteilung um das Sammeln, Katalogisieren und Erforschen der historischen Fotografien. Heute umfasst das Fotoarchiv insgesamt etwa 214.000 Fotografien aus rund 9.000 unterschiedlichen Sammlungen. Bei dieser Menge an Fotomaterial ist es nicht verwunderlich, dass nicht alle Fotos gleich gut erschlossen sind. Oftmals ist unklar, wann und wo die Bilder genau gemacht wurden und wer auf ihnen abgebildet ist. Einen ungewöhnlichen Weg, zumindest einige der Informationen doch noch zu erhalten, geht Yad Vashem durch eine Zusammenarbeit mit Google, mit dessen Hilfe 2011 die ersten 130.000 digitalisierten Bilder online bereitgestellt wurden. Dabei werden nicht nur die Vorderseiten der Fotografien gescannt, sondern auch die Rückseiten, auf welchen sich handschriftlich notierte Informationen oder gar Namen finden lassen. Über die Nutzung einer speziell entwickelten Schrifterkennungssoftware werden diese Informationen nun in eine Datenbank eingepflegt und lassen sich über eine entsprechende Suchmaske abrufen. Weiter haben Internet-Besucher die Möglichkeit, die Bilder zu kommentieren und damit fehlende Angaben zu ergänzen. Erkennt man auf einem Foto etwa ein Gebäude oder eine Person, besteht die Möglichkeit, das Foto zu kommentieren und diese Information erscheint nach einer Überprüfung fortan gemeinsam mit der Fotografie selbst.
Fazit
Erinnerungskultur ist, in Deutschland ebenso wie in Israel, stets politisch und kulturell geprägt und Wandlungsprozessen unterlegen. Yad Vashem ist eine israelische und zionistische Gedenkstätte und der israelische Umgang mit der Geschichte des Holocaust spiegelte sich stets in der Entwicklung Yad Vashems wider, ebenso wie sich in der Arbeit und Ausrichtung der deutschen Gedenkstätten die deutsche Perspektive abbildet. Das Kennenlernen einer israelischen Gedenkstätte kann dazu beitragen, ein mehrdimensionales Geschichtsbewusstsein zu entwickeln und sich der eigenen Perspektive auf die Geschichte bewusster zu werden. Ein Verständnis von den nationalen Besonderheiten des Erinnerns festigt die starke Annäherung, die zwischen Deutschland und Israel in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden hat, und könnte langfristig zur Bildung einer gemeinsamen deutsch-israelischen Gedächtniskultur als Ergänzung zu nationalen Erinnerungsformen führen.