Konsum ist Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungen und individueller Umgangsweisen. Deshalb konsumieren Jugendliche, Kinder und Ältere anders – und Anderes. Wie auch immer Konsum öffentlich diskutiert wird, er ist ein soziales Konstrukt. Dennoch erscheint Konsum mitunter so selbstverständlich wie essen, trinken, mobil sein oder arbeiten. Die Typisierung von Gesellschaft als eine des Konsums ist vergleichsweise neu. Sie wird erst mit dem Aufkommen der Massenproduktion durchgesetzt. Dadurch veränderte sich auch der Konsum grundlegend. Im Folgenden wird die Herausbildung der Konsumgesellschaft skizziert, und es werden anhand empirischer Befunde zu Jugend, Konsum und Nachhaltigkeit aktuelle Trends vorgestellt.
Kern der Serien- und Massenproduktion ist die rationelle, arbeitsteilige Produktion, wodurch Produktionskosten gesenkt und Qualität gesteigert werden konnten. In Deutschland betonten die Soziologen Max Weber (1864–1920) und Werner Sombart (1863–1941) die Berechenbarkeit der betrieblichen Abläufe als den Kern des modernen Kapitalismus. Die Produktion von großen Serien zunächst in den USA zeigte Wirkung auf die Fabrikation in Europa. Von der Massenproduktion ging ein Kostendruck auf die Fertigung in Deutschland aus. Uhrenfabriken im Schwarzwald stiegen beispielsweise relativ früh auf "das amerikanische Produzieren“ um und bauten hochgradig arbeitsteilig Uhren für Jedermann "in Serie“. Repräsentanten der Wirtschaft reisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die USA, um die Methoden Frederick Winslow Taylors und Henry Fords zu studieren und zu adaptieren. Die durch Massenherstellung verbilligte Produktion sollte zugleich den Warenabsatz sichern.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schaffte der Nachholbedarf der westdeutschen Bevölkerung an allen nur erdenklichen Gütern die Basis für eine fast grenzenlose Produktion. Konsum war für lange Zeit die Basis für Beschäftigung: Mehr Konsum stand für die Sicherung von Beschäftigung durch Ausweitung der Produktion. Die Begleitumstände der Produktion, also der Ressourcenverbrauch und die Verschmutzung von Luft und Wasser, wurden kaum beachtet. Erklärtes Ziel war das Wachstum der Volkswirtschaft. Und dieses wurde als Differenz des Wirtschaftswachstums "von gestern“ zu dem "von morgen“ ermittelt. Die Grundformel für wachsendes Nationaleinkommen lautete:
Volks-/Nationaleinkommen = (privater + staatlicher) Konsum + Investition
In den USA hatte sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg ein way of life herausgebildet, bei welchem der Konsum den Menschen auszeichnete. Dies galt dann für die Bundesrepublik der Nachkriegszeit. In Städten (Litfaßsäulen) und in den Medien (Anzeigen, TV, Radio) wurde für den modernen Konsum geworben. Konsum wurde kultiviert und zum festen Bestandteil der Freizeit sowie eines modernen Haushalts mit "weißer“ Ware (wie Kühlschrank, Herd, Waschmaschine, später Spülmaschine) und "brauner“ Ware (wie Radio, Fernseher, Plattenspieler). Hinzu kamen die Freiheit des Reisens und das dazu unverzichtbar erscheinende eigene Auto. So wurde zugleich eine kontinuierliche Nachfrage nach investitionsintensiven Gütern (wie Maschinen oder Produktionsanlagen) und Fabriken samt zugehöriger Infrastruktur geschaffen.
Aufkommende Konsumkritik
Ist eine konsumorientierte Gesellschaft etabliert, richten die Subjekte ihre Bestrebungen an diesen Konsumgütern aus. In den USA machte David Riesman mit einer soziologischen Analyse auf die "Außenlenkung“ aufmerksam.
Populär wurde die Auseinandersetzung mit Konsum hierzulande durch die Studentenbewegung ab den 1960er Jahren, die das Wirtschaftssystem und die Grundsätze der "bürgerlichen Gesellschaft“ kritisierte. Fast alles, was der Elterngeneration bedeutsam und erhaltenswert schien, auch ihr Wertesystem im Allgemeinen wurde grundlegend "hinterfragt“, egal ob es um die Einrichtung der Wohnung oder den Stil der Kleidung ging (die deutsche Gesellschaft kannte bis in die 1970er Jahre noch den Unterschied zwischen Sonntags- und Werktagskleidung). Ausgetragen wurde diese Kontroverse als Generationenkonflikt. Hauptkritik war, dass die Elterngeneration sich in die "schönen Konsumwelten“ flüchtete, statt die nationalsozialistische Vergangenheit aufzuarbeiten.
Die junge Generation entwickelte neue Leitbilder: Statt schick und adrett gab es nun praktische Jeans und Parka; statt des für Männer üblichen "GI-Haarschnitts“ gab es (etwas) längere Haare – orientiert an den poppigen Beatles. Die Werte der Elterngeneration – Bausparkasse, eigenes Heim, einmal im Jahr in den Urlaub nach Italien, an die Zukunft denken, ordentlich, fleißig, sparsam und adrett sein, bedenken was die Anderen, was die Nachbarn sagen – waren der Studentenbewegung Ausdruck von "Spießertum“. Ihr oberstes Ziel war die "eigentliche Emanzipation“, also die Befreiung von "äußeren Zwängen“, verbunden mit der Suche nach dem Selbst und nach einer gesellschaftlichen Zukunft, die mit der Tradition der Elterngeneration brechen sollte. Zwar wurde die "Suche nach dem Selbst“ nicht von allen Heranwachsenden geteilt, doch setzte eine merkliche Umwälzung der Gesellschaft ein.
Kommerzialisierung des Alltags
Medien und Werbung machten sich diese Umbruchsituation zunutze: Produkte, Musik oder auch Outfits standen für Stilangebote. So wurde (und wird nach wie vor) das passende Lebensgefühl, die richtige Wahrnehmung durch Dritte,
Adressatenbezug.
Ab dem Ende der 1950er Jahre setzte zunächst kaum merklich der Ausbau adressatenbezogener Werbung (für Kinder und Jugendliche, für Frauen, für Männer, für den Haushalt
Verlängerung der Jugendphase und die damit verbundene Entkopplung von Konsum und eigenem Einkommen.
Als Folge der Bildungsreform fand der Übergang von Schule in Beschäftigung zeitlich aufgeschoben statt. Viele Jugendliche lebten nun über das 16. und 18. Lebensjahr hinaus von Zuwendungen der Eltern. Obgleich die ökonomische Verselbstständigung aufgeschoben wurde, agierten Jugendliche und junge Erwachsene ökonomisch selbstständig und lebten ihre eigenen Stile. In den Folgejahren wurde das Konsumangebot für Jugendliche merklich ausgeweitet, und es entstanden neue Märkte, die sich explizit an Heranwachsende richteten. Die Kaufkraft der unteren Altersgruppen wurde nun von Seiten der Marktforschung systematisch erhoben.
Konsum als Stilisierung des Selbst.
Konsum wird nun symbolisch aufgeladen und dient der Stilisierung des Selbst. Auch wurde Konsum gesellschaftlich reorganisiert, und die länderbezogene Koppelung von Konsum und Massenproduktion wurde passé: Heute verdanken Moden, Ästhetik und Stile ihre Ursprünge globalen Verhältnissen. Schon ab den 1990er Jahren wurden Produktion und Produktentwicklung über die Welt verteilt. Weltlabels (wie Adidas oder Nike) haben ihre Zentralen, aber diverse Designstudios und Trendscouts in verschiedenen Ländern, ihre Zulieferer und Produzenten sind über die Welt verteilt. Produktion und Konsum sind dadurch entkoppelt. Die Geschmacksbildung, die Produkte und die Stile werden internationalisiert.
Kommerzialisierung neuer Lebensbereiche.
Die Geschäfte wurden größer, das Banken- und Versicherungsgewerbe wurde ausgebaut, und es kam zu einer radikalen Ausweitung des Dienstleistungsbereichs. Die Versorgung der Haushalte erfolgte bis in die 1970er Jahre bevorzugt über kleinere Lebensmittel- und Filialgeschäfte von überschaubarer Größe.
Jugend als Konsumenten
Im Grunde wurde erst ab den 1970er Jahren das Prinzip des Massenkonsums realisiert, da für unterschiedliche Gruppen der Gesellschaft Konsumartikel entwickelt und vermarktet wurden. Gekauft wird, was "in“ ist – während das früher der Walkman von Sony war, sind das heute der Apple und das iPhone. Kern dieser Ausweitung des Jugendmarktes ist die Jugend selbst. Dabei spielt neben der Verlängerung der Jugendphase die Eigenart von Jugend, sich von anderen unterscheiden zu wollen, eine maßgebliche Rolle: Zum Bedürfnis nach Differenzierung passen Produkte, die als jugendkulturelle Stilmittel fungieren.
Doch Konsum setzt Geld voraus. Die Daten zu den Einkünften der Jugendlichen fallen sehr unterschiedlich aus.
Jugendliche leben in einer Welt, in der Konsum ebenso alltäglich ist, wie es die gewachsenen Risiken sind. Unter diesen Vorgaben gilt es, sie für zukunftsfähige Handlungsmöglichkeiten zu sensibilisieren. Dies zeigt sich deutlich, wenn Jugendliche danach befragt werden, wo sie selbst beim Konsum Einflussmöglichkeiten sehen ( vgl. Tabelle 3 in der PDF-Version). Ein großer Teil der Jugendlichen geht davon aus, Einfluss auf die angebotenen Produkte in den Bereichen zu haben, in denen sie auch beworben werden: Preis, Aussehen, Qualität und Funktionalität. Entsprechend ist es nicht ein genereller Mangel im Glauben an die Durchsetzungskraft von Konsumentenwünschen gegenüber den Herstellern, sondern vielleicht eher mangelndes Interesse und eben auch mangelndes Wissen um Handlungsoptionen, wenn dagegen für nachhaltige Produkteigenschaften kaum Einflussmöglichkeiten gesehen werden.
Zusammenfassung
Konsum ist heute merklich ausdifferenziert. Das Warenangebot und die Werbung richten sich nicht mehr an Jugendliche, Familien, Männer und Frauen, sondern sind personalisiert und gründen auf einem fortlaufend aktualisierten Konsumentenprofil. Viele Aktivitäten sind von Werbung überlagert. Informationssuche oder privater Austausch sind Quellen für Informationen zu Konsumwünschen, Urlaubsplanungen, Umzug oder Veränderung der Wohnsituation. Die aktuelle Situation lässt sich entlang von drei Thesen bündeln:
(1) Konsum ist sachlich, zeitlich und lokal entgrenzt.
Einkaufen kennt keinen Ladenschluss mehr, denn im Netz kann immer gekauft werden. Es gibt auch keine regionalen Grenzen mehr, denn Konsum im Netz basiert auf selfservice. Dadurch erfolgt Konsum auch beiläufig: einfach, angenehm und spielerisch. Was Konsum ist, wird nur an den Grenzen des Konsums, also dessen finanzieller und juristischer Bewältigung, bewusstseinspflichtig. Dies ist der Fall wenn die Konten, Käufe, Belastungen, Zahlungseingänge und -ausgänge oder die eingegangenen juristischen Verpflichtungen (Dauer der Abonnements) kontrolliert werden.
(2) Beim Kauf geht es nicht immer um den Gebrauch und Verbrauch von Gütern, sondern um Konsum als Option.
Der Konsum vermittelt Erlebnis.
(3) Einzig die gesellschaftliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeit vermittelt Grenzen.
Vor dem Hintergrund der Maxime der Nachhaltigkeit gilt es, den Konsum seiner "Selbstverständlichkeit“ und "Natürlichkeit“ zu entkleiden. Konsum muss reflexiv und in seinen Folgen bedacht werden: Jeder Konsum ist mit sozialen, kulturellen und ökologischen Folgen verbunden. Umweltverbrauch findet immer statt, auch Rückwirkungen gibt es immer. Diese müssen nicht so massiv sein wie bei den Kernschmelzen in Fukushima oder bei den Tiefseeölbohrungen. Dennoch gilt es, den Zusammenhang zwischen der Produktion von (materiellen und immateriellen) Gütern und den dabei entstehenden Wirkungen auf die Umwelt ins Bewusstsein zu rücken.
Zu nachhaltigem Handeln braucht es vermutlich nicht nur Theorien zu ökologischen Risiken, sondern auch eine Sensibilität für die Wahrnehmung der Handlungsfolgen aus Konsum. Dies ist zur Durchsetzung einer nachhaltigen Konsumentengesellschaft wichtig. Dabei geht es um die Wahrnehmung und Reflexion des eigenen Verhaltens sowie die Einsicht in ökologische Zusammenhänge. Kurzum: Statt beiläufigem Konsum bedarf es seiner reflexiven Betrachtung.
Zu Beginn der Umweltdebatte in den 1970er Jahren ging es um Konsumverzicht. Heute ist es wichtig den öffentlichen Diskurs hinsichtlich globaler Risiken weiterzuführen. Die Energiegewinnung über Ölschiefer und Ölsande zum Beispiel, die Abholzung von Regenwäldern oder auch die rasch ansteigenden Kapazitäten beim Transport (egal ob auf der Straße oder per Schiff) sind hier anzusprechen. Dabei ist es nur ein erster Schritt, auf das eigene Auto zu verzichten oder auf die Einhaltung von Umweltstandards zu Hause zu achten. Wichtig ist, dass nachhaltiges Handeln von globalen politischen Instrumenten ergänzt wird, um gute Ansätze nicht zu konterkarieren. Auch wenn Jugendliche zwischen 18 und 19 Jahren die Gruppe stellen, die am wenigsten nachhaltig handelt, so wissen sie um das Spannungsverhältnis von Zukunftsfähigkeit und Konsum. Auch zeigen oben skizzierte Befunde, dass je geringer der eigene Selbstwert eingeschätzt wird, desto häufiger Jugendliche durch die realen und virtuellen Konsumtempel streifen und kaufen – nach eigenen Aussagen auch Dinge, die sie eigentlich nicht brauchen. Nachhaltigkeit kann also auch da beginnen, wo etwas nicht gekauft wird.