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KI in der Schule

Florian Nuxoll

/ 16 Minuten zu lesen

KI bietet sowohl Lehrkräften als auch Schülerinnen und Schülern große Chancen, Lernprozesse zu optimieren. Die Rolle der Lehrkräfte bleibt dabei zentral: Eine Schule ohne Lehrer wird auch in Zukunft eine schlechte Schule sein – eine Schule ohne KI aber auch.

Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern wurden schon häufig mit der Ankündigung konfrontiert, dass eine innovative Methode, eine fortschrittliche Technologie oder eine neue Schulform das Bildungssystem von Grund auf erneuern würde. Insbesondere die Einführung digitaler Technologien ging mit derlei Versprechungen einher. So titelte „Der Spiegel“ im November 1984: „Revolution im Unterricht – Computer wird Pflicht“. Im dazugehörigen Artikel wurde prophezeit, dass der Einsatz von Computern die gesamte Schullandschaft nachhaltig prägen werde. Eine Referendarin, die diesen Artikel damals möglicherweise las und sich auf die bevorstehende digitale Revolution im Bildungswesen freute, steht heute kurz vor der Pensionierung. Und obwohl sich in den zurückliegenden vier Jahrzehnten viel verändert hat, ist die viel beschworene digitale Revolution an deutschen Schulen ausgeblieben. Abgesehen von der Zeit der coronabedingten Schulschließungen war exzellenter Unterricht auch ohne digitale Technik möglich. Und wenn man die Ausstattung vieler deutscher Schulen in Bezug auf Hard- und Software sowie den Support betrachtet, war analoger Unterricht häufig nicht nur die bessere, sondern oft auch die einzige Alternative. Mit KI wird sich das ändern – von ihr ist tatsächlich eine Revolution zu erwarten.

Eine Revolution – echt jetzt!

Der Einsatz digitaler Werkzeuge in Schulen ist für Lehrkräfte nach wie vor mit erheblichem Mehraufwand verbunden: Computerräume müssen im Voraus gebucht, Beamer transportiert und Programme mühsam installiert werden. Darüber hinaus trägt der Einsatz von Technologie in vielen Fällen bisher nur wenig zum Erwerb von Fachwissen und fachlichen Kompetenzen bei oder wirkt sich sogar negativ auf den Lernprozess aus. Für viele Lehrkräfte bedeutet der Technikeinsatz keine Erleichterung, sondern eine zusätzliche Belastung in ihrem ohnehin dicht gedrängten Arbeitsalltag. Künstliche Intelligenz könnte den Aufwand jedoch lohnenswert machen: Sie bietet nicht nur theoretische Vorteile, sondern Lösungen für Probleme und Herausforderungen, die alle schulischen Akteure seit Langem wahrnehmen.

Zum Beispiel Umgang mit Heterogenität: Ein typisches Klassenzimmer mit 25 und mehr Schülerinnen und Schülern umfasst eine große Vielfalt an Lerngeschwindigkeiten, Fähigkeiten und Bedürfnissen. Eine Schülerin mag im Englischunterricht sofort verstehen, wie man eine Frage im Simple Past formuliert und verwendet, während eine andere noch Schwierigkeiten mit einfachen Aussagesätzen im Simple Present hat. Im Mathematikunterricht kann ein Schüler bereits in der Lage sein, Funktionen zu analysieren, während ein anderer noch an der schriftlichen Division scheitert. KI hat das Potenzial, den Unterricht so zu individualisieren, dass jede Schülerin und jeder Schüler genau die Herausforderung oder Unterstützung erhält, die sie oder er benötigt.

Zum Beispiel knappe zeitliche Ressourcen: Korrekturen, Elterngespräche, Klassenfahrten sowie ein dichter und umfangreicher Lehrplan führen dazu, dass viele Lehrkräfte trotz ihres Engagements in der Regel nicht die Möglichkeit haben, jedem Lernenden regelmäßig individuelles Feedback zu geben. Dabei ist Feedback eine enorm wichtige Basis für wirksamen Unterricht und hat nachweislich signifikante positive Auswirkungen auf das Lernen, genauso wie das Üben. Doch auch die Wiederholung des Unterrichtsstoffs, die für nachhaltiges Lernen unerlässlich ist, kommt im Alltag häufig zu kurz. Hier kann KI entlasten: Durch die Automatisierung mancher Routineaufgaben können Lehrerinnen und Lehrer Zeit gewinnen, die sie nutzen können, um einen interaktiveren und kommunikativen Unterricht zu gestalten, ausführlicheres Feedback zu geben und mehr Raum für soziales Lernen zu schaffen.

Ein weiterer Faktor, der die transformative Wirkung von KI im Bildungsbereich unterstreicht, ist die hohe Qualität der Antworten von textgenerierenden Sprachmodellen wie ChatGPT in Kombination mit ihrer leichten Verfügbarkeit für Lernende. Dies stellt das bestehende System infrage und macht ein „Weiter so“ im Bildungsbereich undenkbar. Bewährte Leistungskontrollen wie Fach- oder Seminararbeiten können nicht mehr valide bewertet werden, da KI-Systeme mittlerweile in der Lage sind, solche Texte selbstständig und in hoher Qualität zu erstellen. So meisterte zum Beispiel ChatGPT die bayerischen Abiturprüfungen bereits in mehreren Fächern. Diese neue Situation zwingt die Akteure im Bildungssystem dazu, rasch alternative Prüfungs- und Bewertungsmethoden zu entwickeln.

KI ist nicht gleich KI

Wenn über den Einsatz von KI im Bildungsbereich gesprochen wird, muss zwischen generativer Künstlicher Intelligenz und intelligenten Tutorsystemen unterschieden werden. Obwohl beide Technologien auf KI basieren, haben sie unterschiedliche Anwendungsbereiche.

Beispiele für generative KI-Systeme sind Modelle wie ChatGPT. Ihre Hauptfunktion besteht darin, Texte zu generieren, die wirken, als wären sie von Menschen geschrieben. Ihre Fähigkeiten reichen von der Beantwortung einfacher Fragen bis zur Erstellung komplexer Essays. Sie sind sogar in der Lage, scheinbar kreativen Input zu liefern und flexibel auf unerwartete Fragen oder Probleme zu reagieren. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass ihre Antworten auf den Daten basieren, mit denen sie trainiert wurden. Dies bedeutet, dass sie weder über ein tiefes Verständnis des Lerninhalts verfügen, noch in der Lage sind, auf die individuellen Lernbedürfnisse Lernender einzugehen.

Intelligente Tutorsysteme (ITS) nutzen spezialisierte KI, um personalisiertes Lernen anzubieten. Sie simulieren die Erfahrung des Einzelunterrichts mit einem menschlichen Tutor. Ein ITS enthält ein Modell des zu lehrenden Fachgebiets, ein Modell des Lernenden und eine Lehrstrategie. Indem es den Lernfortschritt überwacht, kann es Defizite erkennen und gezielte Übungen oder Erklärungen anbieten, um Wissens- und Kompetenzlücken zu schließen. Darüber hinaus bieten ITS den Lernenden gezielte Anleitung und Feedback. Aufgrund ihres adaptiven Charakters können sie Lernpfade erstellen, die sich dem individuellen Fortschritt und den Bedürfnissen des Lernenden anpassen und so einen differenzierten Unterricht ermöglichen. Allerdings ist einschränkend anzumerken, dass es bislang nur wenige deutschsprachige Tutorsysteme gibt, die bereits echte Marktreife erlangt haben.

Einsatz Generativer KI aus Lehrersicht

Für Lehrkräfte eröffnen KI-Tools wie ChatGPT neue Möglichkeiten, um effizienter und effektiver zu arbeiten. Die Interaktion mit textgenerierenden KI-Systemen wird dabei am besten als Ko-Konstruktion betrachtet. Denn die von der KI erstellten Texte können unabhängig von ihrer Länge gelegentlich Fehler aufweisen, die von den Nutzenden korrigiert werden müssen. Die Qualität der KI-generierten Texte steigt insbesondere, wenn man in einen interaktiven Dialog mit dem System tritt und nicht nur isolierte Anweisungen gibt.

Eine beeindruckende Fähigkeit von KI-Tools ist etwa, dass sie die Komplexität von Texten – und damit den Schwierigkeitsgrad von damit verbundenen Aufgaben – schnell anpassen können. Eine einfache Aufforderung (prompt) wie „Gib folgenden Text in einfacher Sprache wieder“ ermöglicht es, ohne großen Aufwand im Unterricht zu differenzieren. Dies veranschaulicht ein Beispiel, wie ein Textausschnitt aus dem Aufgabenpool des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen für das Deutschabitur 2022 von ChatGPT bearbeitet wird. Als Ausgangstext dient hier ein Gastbeitrag der Ethnologin Irene Götz auf „Spiegel Online“:

Die Rolle von Sprache wird in unserer Gesellschaft diskriminiert. Dies gilt nicht nur für die unterschiedliche Kompetenz im Deutschen, die bereits in den Grundschulen für diejenigen Einwandererkinder, die aus sozial benachteiligten Familien stammen, den weiteren Bildungsweg vorsortiert. Sprache ist hier bereits im Vorschulalter ein soziales Distinktionsmerkmal, das angesichts der zu geringen Plätze für Kleinkinderbetreuung die Chancenungleichheit in Deutschland und die soziale Spaltung für die Zukunft von Generationen fortschreibt, und dies nicht erst, seitdem eine große Anzahl von geflüchteten Kindern und Jugendlichen im schulpflichtigen Alter Lehrer und Schulen vor neue Herausforderungen stellt.

Nach der Vereinfachung durch ChatGPT liest sich der Text wie folgt:

Sprache ist in unserer Gesellschaft ein wichtiges Thema. Manche Menschen werden wegen ihrer Sprache benachteiligt. Das betrifft vor allem Kinder von Zuwanderern aus armen Familien. Schon in der Grundschule kann die Sprache über den Bildungsweg entscheiden. Auch vor Schulbeginn ist die Sprache wichtig. Es gibt nicht genug Betreuungsplätze für kleine Kinder. Das erhöht die Ungleichheit in Deutschland. Viele geflüchtete Kinder und Jugendliche bringen zusätzliche Herausforderungen für Schulen und Lehrer.

Diese Einsatzmöglichkeit ist auch im Fremdsprachenunterricht sinnvoll, wenn Texte mit wenigen Klicks an das Sprachniveau der einzelnen Lernenden angepasst werden können.

Generative KI bietet auch wertvolle Unterstützung bei der Erstellung von Übungsaufgaben. Ein anschauliches Beispiel ist die Generierung von Textaufgaben im Mathematikunterricht. Durch den Einsatz von KI können effizient und ohne großen Mehraufwand maßgeschneiderte Aufgaben zu den unterschiedlichsten Themen erstellt werden. Während alle Schülerinnen und Schüler mit den gleichen Zahlen rechnen, können Kontext und Inhalt der Aufgaben an die individuellen Interessen der einzelnen Schülerinnen und Schüler angepasst werden. Dies beschleunigt nicht nur die Erstellung von Mathematikaufgaben, sondern kann auch in Fächern wie Englisch eingesetzt werden, um Übungen schneller und passgenauer zu gestalten. Ein Beispielprompt hierfür wäre etwa: Erstelle ein Aufgabenblatt, um im Englischunterricht der 7. Klasse den Unterschied zwischen dem Present Perfect und dem Simple Present zu üben.

Während es relativ einfach sein kann, offene Aufgaben wie „Erörtere, ob Bargeld abgeschafft werden sollte“ zu formulieren, erfordert die Erstellung von qualitativ hochwertigen Musterantworten einen erheblichen Zeitaufwand. Gerade solche Mustertexte sind aber für den Lernprozess von großem Wert. Mit generativer KI kann eine Lehrkraft in wenigen Sekunden didaktisch wertvolle Antworttexte generieren, die die Schülerinnen und Schüler im Unterricht analysieren und als positive Beispiele nutzen können. Darüber hinaus kann das System dazu veranlasst werden, verschiedene Antworttexte auf unterschiedlichem Niveau zu produzieren. Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Texten aktiviert Schülerinnen und Schüler kognitiv und hilft ihnen zu verstehen, welche Elemente eine überzeugende Argumentation ausmachen. Ein Beispielprompt hierfür wäre etwa: Schreibe drei Erörterungen zu der Fragestellung „Sollte Bargeld abgeschafft werden?“. Die erste Argumentation sollte einem Schüler der 9. Klasse ein „Sehr gut“ einbringen, die zweite sollte auf dem Niveau einer „2“ liegen und die dritte auf dem Niveau einer „4“.

Einsatz Generativer KI aus Schülersicht

Textgenerierende KI-Systeme sind nicht nur für Lehrende hilfreich, sondern auch für Lernende. So können sie zum Beispiel als Lernhilfe beziehungsweise Tutor eingesetzt werden, wenn eine Schülerin oder ein Schüler vor der Aufgabe steht, eine Erörterung zu schreiben. Sie oder er könnte sich dann an ChatGPT wenden und fragen, wie eine Erörterung aufgebaut sein sollte oder welche Argumente für oder gegen eine bestimmte These sprechen. Auf diese Weise fungiert die KI als interaktiver Leitfaden, der bei der Entwicklung einer überzeugenden Argumentation unterstützt und sogar (in der Regel korrekte) Fakten liefern kann, um die Argumente zu untermauern. Beispielprompt hierfür: Hilf mir eine Erörterung zu schreiben. Das Thema lautet „Sollte Bargeld abgeschafft werden?“ Nenne einige Argumente sowohl für als auch gegen die Abschaffung von Bargeld und gib mir Tipps, wie ich meine Argumentation strukturieren kann.

Der Einsatz von KI birgt jedoch auch Gefahren für den Lernprozess. Wenn ein Schüler sich entscheidet, ChatGPT den gesamten Aufsatz schreiben zu lassen, und diesen ohne eigene Auseinandersetzung mit dem Thema abgibt, wird der eigentliche Lernprozess untergraben. Daher ist es wichtig, dass Lehrkräfte den Sinn hinter den Aufgaben erklären. Den Schülerinnen und Schülern muss vermittelt werden, dass es nicht in erster Linie um das fertige Produkt geht, sondern um den Lernprozess auf dem Weg dorthin. Das in einigen US-amerikanischen Klassenzimmern zu findende Motto be a learner not a finisher bringt diese Botschaft auf den Punkt. Dieser Ansatz stellt das Lernen und Verstehen von Konzepten über das Endprodukt und die rasche Erledigung von Aufgaben. In diesem Sinne sollten die Lernenden ermutigt werden, KI als ein Werkzeug zu sehen, das ihnen hilft, Konzepte zu verstehen und Fähigkeiten zu verbessern, und nicht nur als Möglichkeit, Aufgaben schneller zu erledigen.

Intelligente Tutorsysteme

Ein weiterer wichtiger Fortschritt, der durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Bildung ermöglicht wird, sind intelligente Tutorsysteme. ITS verwenden Algorithmen, um den aktuellen Wissensstand und die Fähigkeiten eines Lernenden kontinuierlich zu analysieren und darauf aufbauend individuell zugeschnittene Lerninhalte bereitzustellen. Anstatt jeder Schülerin und jedem Schüler die gleichen Aufgaben zu geben, kann das System erkennen, in welchen Bereichen jemand Schwierigkeiten hat und gezielte Übungen oder Lernmaterialien anbieten, um genau diese Schwächen zu bearbeiten. Dies erleichtert es den Lehrkräften, ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern.

Zugleich können Lehrerinnen und Lehrer mittels ITS jederzeit den Kompetenzstand ihrer Schülerinnen und Schüler abrufen. Das System sammelt kontinuierlich Daten über den Fortschritt, die Aktivität und die Leistung der Lernenden, wodurch Lehrkräfte sofort erkennen können, wer zusätzliche Unterstützung benötigt und wer bereits bereit ist, zum nächsten Thema oder zur nächsten Kompetenzstufe überzugehen. Dieser kontinuierliche Einblick hilft dabei, Unterricht effektiv zu planen und sicherzustellen, dass niemand zurückbleibt.

Ein weiterer Vorteil von ITS ist die Möglichkeit, den Lernenden sofortiges und individuelles Feedback zu ihren Antworten und Lösungen zu geben. Anstatt darauf zu warten, dass eine Lehrkraft eine Arbeit korrigiert, können die Schülerinnen und Schüler sofort sehen, wo sie Fehler gemacht haben und welche Konzepte sie möglicherweise noch nicht vollständig verstanden haben. Dieses Feedback kann auch detaillierter und spezifischer sein, als es eine einzelne Lehrkraft in einer großen Klasse normalerweise geben kann.

Die individuelle Förderung, die durch ITS ermöglicht wird, verstärkt allerdings auch die Leistungsbandbreite innerhalb einer Klasse. Personalisierte Lernpfade, die genau auf die individuellen Stärken, Schwächen und Interessen zugeschnitten sind, führen dazu, dass leistungsstarke Schülerinnen und Schüler sehr große Lernfortschritte im Vergleich zu schwächeren machen können. Letztere profitieren zwar auch, aber nicht in gleichem Maße. Dies führt dazu, dass die Kluft zwischen leistungsstarken und leistungsschwachen Lernenden immer größer wird.

Auch stellt sich die Frage nach dem Eigentum an den Daten. ITS sammeln und speichern große Mengen an Schülerdaten, einschließlich persönlicher Informationen, Lernfortschritte und Verhaltensdaten. Wem gehören diese Daten – den Nutzenden, der Bildungseinrichtung oder den Entwicklern des ITS? Dies ist besonders relevant, da der Besitz von und der Zugang zu Daten zu einem Lock-in-Effekt führen können. Dies bedeutet, dass Bildungseinrichtungen, die sich einmal für ein bestimmtes System entschieden haben, Schwierigkeiten haben können, zu einem anderen System zu wechseln, ohne den Zugang zu wichtigen Daten zu verlieren. Dies kann die Bildungseinrichtungen in eine Abhängigkeit von dem ITS-Anbieter bringen und ihre Wahlmöglichkeiten in der Zukunft einschränken. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass von Anfang an klare Regeln für das Eigentum an und den Zugang zu Daten vereinbart werden.

Ebenso sind der Schutz der erhobenen Daten und die Gewährleistung der Privatsphäre essenziell. Angesichts der Sensibilität von Schülerdaten ist es unerlässlich, strenge Sicherheitsmaßnahmen zu etablieren. Bildungseinrichtungen und ITS-Anbieter müssen gemeinsam sicherstellen, dass Datenverschlüsselung, regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen und klare Zugriffsrichtlinien Standard sind. Darüber hinaus müssen sie sich an die sich ständig weiterentwickelnden Bedrohungen und Technologien anpassen, um den Schutz der Schülerdaten jederzeit zu gewährleisten. Es ist nicht nur eine technische, sondern auch eine ethische Verpflichtung, die Privatsphäre und Sicherheit der Lernenden zu respektieren und zu schützen.

Herausforderungen

Die Vorteile des Einsatzes von KI im Bildungsbereich sind unbestritten. Mit diesen gehen jedoch auch neue Herausforderungen einher, die es sorgfältig zu berücksichtigen gilt.

Neutralität: Generative KI-Modelle wie ChatGPT werfen zum Beispiel Fragen der Neutralität auf. Sollte eine KI neutral programmiert werden, um alle Inhalte zu produzieren, oder sollten bestimmte Inhalte zensiert werden? Ein Beispiel aus meinem Englischunterricht im Januar 2023 zeigt die Komplexität dieses Themas: Als eine Schülerin ChatGPT bat, ein positives Sonett über Donald Trump zu schreiben, erhielt sie eine ablehnende Antwort: „Es tut mir leid, aber ich kann diese Anfrage nicht erfüllen, da es gegen meine Programmierung verstößt, Inhalte zu produzieren, die meinen Fähigkeiten und Werten widersprechen. Gibt es sonst noch etwas, womit ich Ihnen helfen kann?“ Welcher Akteur aber ist legitimiert, diese moralischen Entscheidungen zu treffen?

Zuverlässigkeit: Auch ist die Zuverlässigkeit der von der KI gelieferten Informationen nicht immer gewährleistet. Ein Beispiel ist die fiktive Anekdote aus Thomas Manns „Buddenbrooks“, die ChatGPT als Antwort auf eine Anfrage lieferte. Auf die Bitte, eine Diskussion über Schuluniformen mit einer Anekdote aus dem Roman zu beginnen, gab die KI folgende Antwort: „In Thomas Manns unvergesslichem Roman ‚Buddenbrooks‘ gibt es eine Szene, die mir für unsere Diskussion über Schuluniformen passend erscheint. Hanno, der schüchterne und introvertierte Sohn des Hauses, wird in einem neuen, teuren Anzug zur Schule geschickt. Dieser Anzug sollte eigentlich seine soziale Stellung unterstreichen und ihn zu einem angesehenen Mitglied der Gemeinschaft machen. Stattdessen wird er zur Zielscheibe von Spott und Hänseleien.“ Tatsächlich kommt die beschriebene Situation in dem Roman nicht vor, aber sie ist so geschickt beschrieben, dass jemand, der die „Buddenbrooks“ vor langer Zeit gelesen hat, sie glauben könnte. Auf die Nachfrage an ChatGPT, aus welchem Kapitel diese Szene stamme, antwortete das System: „Es tut mir leid für die Verwirrung, aber es gibt keine spezielle Szene in Thomas Manns ‚Buddenbrooks‘, in der Hanno in der Schule wegen seiner Kleidung gehänselt wird. Diese Anekdote war nur als metaphorisches Beispiel gedacht.“ Solche Fehlinformationen unterstreichen die Notwendigkeit, den Schülerinnen und Schülern beizubringen, Informationen kritisch zu prüfen.

Desinformation: Die fortschreitende Entwicklung von KI-Technologien kann auch die Verbreitung von Fake News erleichtern, sei es durch gefälschte Texte, Audioaufnahmen, Bilder oder Videos. Solche Werkzeuge können das Vertrauen der Gesellschaft und die demokratische Ordnung gefährden. KI darf daher nicht nur als Werkzeug im Unterricht eingesetzt werden, sondern muss selbst zum Unterrichtsthema werden. Schülerinnen und Schüler sollten verstehen, was gefälscht werden kann, wer ein Interesse daran hat, Fake News zu verbreiten, und welchen Einfluss Desinformation auf unsere Gesellschaft hat. Nur so werden sie zu informierten und kritischen digitalen Bürgern, die die Technologien, die unser Leben prägen, verantwortungsvoll einsetzen können.

Ungleichheiten: Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass KI im Bildungsbereich bestehende Ungleichheiten verstärken kann. Hier spielen etwa Faktoren wie Zugang zu Technologie, Internetverbindung und Schulung im Umgang mit dem System eine Rolle. In Regionen oder Haushalten, in denen die notwendige Infrastruktur oder das technische Knowhow fehlen, können Schülerinnen und Schüler von den Vorteilen der KI abgeschnitten sein. Dadurch können sie gegenüber ihren besser ausgestatteten Altersgenossen ins Hintertreffen geraten. Es ist daher unbedingt sicherzustellen, dass alle den gleichen Zugang und die gleiche Unterstützung erhalten, damit sie von der KI profitieren können. Bildungseinrichtungen, politische Entscheidungsträger und Technologieanbieter müssen zusammenarbeiten, um diese Barrieren abzubauen und ein integratives Lernumfeld zu schaffen, in dem jede Schülerin und jeder Schüler die Möglichkeit hat, die Vorteile der KI in der Bildung voll auszuschöpfen.

Abhängigkeit: Es besteht zudem die Gefahr, dass Lernende sich übermäßig von KI-Systemen abhängig machen, was ihr kritisches Denken und ihre Kreativität potenziell einschränken könnte. Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung von KI als Lernwerkzeug und der Gewährleistung der Entwicklung wesentlicher kognitiver und sozial-emotionaler Fähigkeiten der Schüler zu finden. Wenn Schüler ständig auf KI zurückgreifen, um Probleme zu lösen oder Antworten zu finden, könnten sie es vermeiden, eigene Lösungen zu entwickeln oder kreative Denkprozesse anzuwenden. Bildungseinrichtungen müssen Strategien entwickeln, um sicherzustellen, dass KI das kritische Denken der Schülerinnen und Schüler ergänzt und nicht ersetzt.

Der Einsatz von KI im Unterricht kann sich in dieser Hinsicht auch auf die pädagogische Praxis auswirken. Es besteht die Gefahr einer übermäßigen Abhängigkeit von der Technologie, wodurch die Rolle des Lehrers geschwächt und der Schwerpunkt auf menschliche Interaktion und soziales Lernen verlagert werden könnte. Ein Klassenzimmer, das zu sehr auf Technologie ausgerichtet ist, könnte den Wert menschlicher Führung, Diskussion und kollektiver Problemlösung verringern. Wie die Vorteile der Technologie mit dem Wert menschlicher Anleitung und Unterweisung in Einklang zu bringen sind, ist daher auch ein Anliegen ethischer Überlegungen. Es ist wichtig, dass Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen darüber nachdenken, wie KI am besten in den Unterricht integriert werden kann, ohne die menschlichen Aspekte des Lernens zu opfern.

Ausblick

Der Fortschritt im KI-Bereich vollzieht sich so rasant, dass sich kaum vorhersagen lässt, was in einigen Monaten geschweige denn Jahren möglich sein wird. Es ist daher schon heute an der Zeit, dass Bildungsakteure die neuen Technologien selbstbewusst und proaktiv ausprobieren, bewerten und verbessern. Es muss Raum für Experimente und Innovationen geben, um herauszufinden, wie KI am besten in den Unterricht integriert werden kann, um den Lernprozess zu optimieren, ohne den Menschen aus dem Zentrum des Geschehens zu verdrängen.

Denn trotz aller technologischen Fortschritte kann es nicht das Hauptziel von Bildung sein, Schülerinnen und Schüler vor Bildschirmen zu isolieren, damit sie selbstständig Aufgaben erledigen. Vielmehr müssen das gemeinsame Lernen und die soziale Interaktion im Vordergrund stehen, auch wenn einzelne Aspekte des Lernprozesses mithilfe von KI individualisiert und optimiert werden können. Ebenso bleibt die Rolle der Lehrkräfte zentral. Eine Schule ohne Lehrerinnen und Lehrer wird auch in Zukunft eine schlechte Schule sein – eine Schule ohne KI aber auch.

Deutschland steht im Kontext der schulischen Bildung vor zahlreichen Herausforderungen und Aufgaben – durch das Aufkommen leistungsfähiger KI-Werkzeuge sind nochmals neue hinzugekommen, die jedoch helfen könnten, manch älteres Problem zu lösen. Es gilt nun, diese Herausforderungen zügig und nachhaltig anzugehen. Historisch gesehen, zeichnet sich das deutsche Bildungssystem jedoch eher durch Beständigkeit und nicht unbedingt durch rasche Anpassungsfähigkeit aus. Im Zeitalter der KI ist nun aber Agilität gefragt, um sowohl die Potenziale der Technologie auszuschöpfen als auch die damit verbundenen Risiken einzudämmen.

Eine gründliche Überprüfung des derzeitigen Bildungssystems ist hierfür unerlässlich. Dabei müssen wir uns fragen: Welche Inhalte und Kompetenzen behalten ihre Relevanz, welche kommen neu hinzu? Brauchen bestimmte Fächer in der neuen Bildungslandschaft mehr Ressourcen, während andere vielleicht weniger im Fokus stehen sollten? Wie sollten die Prüfungsformate der Zukunft aussehen, um den veränderten Lern- und Lehrbedingungen gerecht zu werden? Und vor allem: Wie kann sichergestellt werden, dass alle Lehrkräfte umfassend, praxisnah und fachspezifisch im Umgang mit KI geschult werden? Wenn diese drängenden Fragen nicht beantwortet und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, wird das deutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich (noch stärker) ins Hintertreffen geraten. Die Weichen für eine zukunftsfähige Bildung müssen heute gestellt werden.

ist Lehrer für Englisch, Politik und Wirtschaft an der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Tübingen, wo er an der Entwicklung intelligenter Tutorsysteme mitwirkt.
Externer Link: http://medienwelten.schule