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Interaktiver Webtalk: Über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball
/ 5 Minuten zu lesen
Neonazis und Diskriminierung im Stadion: Am 26. Juni sprachen Schülerinnen und Schüler in einem interaktiven Talk mit Sportjournalist Ronny Blaschke und mit Gerd Wagner von der Koordinationsstelle Fanprojekte, die sich beide aktiv gegen Rassismus im Fußball einsetzen. Die Videoaufzeichnung des Talks findet ihr hier.
TranskriptWebtalk über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball
Moderation: Hadija Haruna (HH) Ronny Blaschke (RB) Gerd Wagner (GW) Schülerinnen und Schüler (S)
HH: Herzlich Willkommen zum interaktiven Webtalk der Bundeszentrale für politische Bildung. Heute nicht im Studio, sondern live in der Voltaire-Gesamtschule hier in Potsdam. Mein Name ist Hadija Haruna und unser Thema heute, aktuell und passend zur WM: Über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball. Der Talk findet in Kooperation mit der Voltaire-Gesamtschule statt, hier haben ganz viele Schüler zum Thema gearbeitet, dazu hören wir später mehr. Außerdem werde ich in den kommenden anderthalb Stunden hier mit zwei Experten sprechen und die möchte ich natürlich erst mal kurz vorstellen. Ganz außen sitzt Ronny Blaschke, er hat Politik und Sportwissenschaften studiert, arbeitet als freier Journalist unter anderem für die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau. Er schreibt zu politischen Hintergründen zum Thema Sport und Rechtsextremismus, hat einige Bücher verfasst, unter anderem "Im Schatten des Spiels. Rassismus und Randale im Fußball". 2009 wurde er vom Medium Magazin als Sportredakteur des Jahres ausgezeichnet.
Da ist es jetzt ein bisschen laut, da machen wir gleich noch mal die Tür zu, wir sind ja in einer Schule.
Zu meiner Rechten sitzt Gerd Wagner, er ist Sport- und Politikwissenschaftler. Seit 2010 hat er für die Koordinationsstelle Fanprojekte bei der deutschen Sportjugend gearbeitet. Zwischen 2007 und 2009 hat er ein Modellprojekt entwickelt, das nennt sich "Am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung". Er ist Mitglied der DFB-Arbeitsgruppe "Für Toleranz und Anerkennung, gegen Rassismus und Diskriminierung" und außerdem noch Jury-Mitglied des Julius-Hirsch-Preises des DFB.
Und zu meiner Person, ich bin eine Print-Journalistin und Redakteurin im Hessischen Rundfunk und meine Schwerpunktthemen sind Jugend, Rassismus und Migration. Aber bevor es losgeht und wir ein bisschen über das Thema quatschen, möchte ich euch aufrufen mitzumachen. Stellt den Experten hier direkt eure Fragen oder macht Anmerkungen auf Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #wirgegenrex mit dem X am Ende oder auf der Seite der Bundeszentrale, da könnt ihr direkt unter dem Livestream bei den Umfragen mitmachen.
Fangen wir an. Gerade ist ja Fußball-WM und alle sind so richtig in Stimmung und man hört immer wieder Sätze wie "Die Welt rückt zusammen", "Die Welt zu Gast bei Freunden", Werte wie Fairness, Toleranz, Respekt werden hochgehalten. Und gerne wird auch im Fußball gesagt, dass er eine Vorreiterrolle spielt, was das Thema Migration angeht, weil in den Nationalteams unheimlich viele Spieler spielen, die eine Migrationsgeschichte haben und sich im Nationalteam quasi vereinen. Doch es gibt auch eine nicht so schöne Seite im Fußball, denn Fußballstadien und Vereine sind auch Orte, an denen Rassismus und Rechtsextremismus offensiv auftreten. Ganz aktuell wird zum Beispiel über das Deutschland-Ghana-Spiel gesprochen, vielleicht erinnert ihr euch, dort sind weiße deutsche Fans aufgetreten, haben sich das Gesicht schwarz bemalt und so genanntes "Blackfacing" gemacht und darüber wurde ganz viel diskutiert, ist das Rassismus, ist es nicht, warum ist das passiert. Wenn man solche Aktionen eher auf Tribünen findet, gibt es aber auch Probleme in Amateurvereinen, wo Rassismus und Rechtsextremismus in der Liga selbst auftritt.
Und Ronny, darauf bezieht sich auch meine erste Frage. Du hast ein Buch geschrieben, "Angriff von Rechtsaußen", und mal ganz simpel gefragt: Was haben Neonazis eigentlich mit Fußball zu tun?
RB: Fußball ist ja mit Abstand der beliebteste Sport und da treffen sich Tausende Menschen aus verschiedenen Gruppen der Gesellschaft im Stadion und es ist - nicht nur für Neonazis, aber auch für Neonazis - ein wunderbares Schlupfloch, wo man untergehen kann. Man hört ja immer, der Fußball sei das Spiegelbild der Gesellschaft, aber das würde ich hinterfragen. Denn es sind nicht 50% Frauen und nicht 50% Männer im Stadion zum Beispiel, und ich würde sagen, Neonazis können sich im Stadion verstecken. Es gibt in jedem Stadion Neonazis, bei 30.000 bis 50.000 Menschen ist das auch kein Wunder, aber die interessante Frage ist doch, warum sie sich vielleicht im Stadion wohler fühlen als woanders. Und vielleicht sollte man auch am Anfang sagen, dass es keine Mehrheitsbewegung ist. Fußball ist immer noch sicher und ist immer noch ein schönes Erlebnis. Aber es gibt eben auch gefährliche Ecken.
HH: Also wenn ich dich richtig verstanden habe: Neonazis sind im Fußball stärker vertreten als in sonstigen gesellschaftlichen Bereichen? Kann man das so sagen?
RB: Da eine Rangliste aufzustellen ist immer schwierig, sollte man vielleicht nicht machen, aber da wir heute über Fußball sprechen, würde ich sagen, man sollte nicht immer von Unterwanderung sprechen oder, dass Neonazis böse von außen kommen und den Fußball entern wollen. Manchmal entwickelt sich das vielleicht im Stadion, dann schaut euch mal das Stadion an. Es ist sehr männlich betont, es sind vor allem junge, weiße Männer, die da im Stadion sind, zu 70, 80%. Was wir auch im Fußball haben ist, dass sich da Gruppen gegenüberstehen, also die Fans wollen sich ja provozieren, die wollen sich kränken, die wollen sich kitzeln, die wollen sich auch beleidigen, ja, das macht Fußballfans Spaß. Und manche nutzen dann eben Rassismus oder Homophobie oder Sexismus – es gibt Begrifflichkeiten – um ihren Gegner abzuwerten, herabzustufen, zu provozieren. Und es ist klar, in so einem Klima können sich Neonazis wohlfühlen. Das mögen 30, 40, 50 sein - 50 Neonazis bei 20.000 Zuschauern klingt gar nicht so viel. Deswegen ist eher interessant, warum da so viele mitmachen, warum da so viele nicht dagegen einschreiten. Und das ist vielleicht nur im Fußball so.
HH: Jetzt gibt es 30, 40, es gibt aber auch Projekte, die sich gegen Rassismus und Rechtsextremismus richten. Wo genau sind solche Projekte wichtig, wo setzen die an?
GW: Meinst du jetzt bezogen auf Profi- oder Amateurfußball?
HH: Mach gern die Differenzierung.
GW: Ich könnte es mir jetzt natürlich einfach machen und sagen, überall sind sie wichtig. Natürlich gibt es auch unterschiedliche Ansätze und unterschiedliche Erscheinungsformen, was die Tragweite der Problematik im Umgang mit Rassismus und Diskriminierung anbelangt. Da denke ich mir ist der Profifußball etwas anders aufgestellt, steht viel mehr unter großer Beobachtung, hat mediale Aufmerksamkeit, Ronny hat es ja erzählt, Fußball hat in der Gesellschaft so eine immense Bedeutung wie kein anderer gesellschaftlicher Bereich hier in Deutschland. Und im Amateurbereich gibt es auch Nischen und gibt es auch Plätze, wo das unbeobachteter ist, da sind keine Hunderte von Videokameras oder Fernsehkameras aufgebaut, da sind keine Polizei- und Ordnungsdienste, die dort das Spiel abschirmen oder sicher machen oder wie auch immer dort beobachten. Dort passieren auch andere Sachen, die sonst im Zuschauersport oder im Profifußball sich anders zeigen. Deswegen sprechen wir ja auch eher von subtilem, also verstecktem Rassismus, der in den Stadien zu sehen ist. Das äußert sich dann über versteckte Codes oder Codierungen, die dann wirklich nur die Insider wissen, was das dann bedeutet, also Stichwort "88", was das dann in einer Szene für eine Bedeutung hat, das wissen viele nicht, aber die, die das entcodieren können, die wissen genau, aha da gibt es also eine Gruppe, die sich dort auch aufhält in dem Stadion. Und all das, was ich so beschrieben habe, das fällt größtenteils im Amateur- und im Jugendfußball, auf der Vereinsbasis alles weg. Und deswegen muss man da auch unterschiedlich darauf reagieren. Also, ich denke, man muss da viel mehr mit der Basis zusammenarbeiten, viel mehr auch mit den Vereinen, sie dafür sensibilisieren, dass das ein Problem ist, und man sich dem auch stellen muss. Und ich würde vielleicht auch als kleine Ergänzung, als Schlenker, noch nehmen – Ronny hat es eben angedeutet, wir haben es gottseidank immer noch mit einem Minderheitenproblem zu tun, wenn wir von Fußball und Rechtsextremismus reden. Das ist richtig, aber wir sollten diesen Begriff vielleicht öffnen und sagen, wir reden hier über den alltäglichen Rassismus, also über die Vorurteile, über die Einstellungsmuster, die jeder in sich trägt. Jeder von uns hat Vorurteile, wenn einem die Nase nicht passt, die sitzt vielleicht schief, dann wird er anders angesehen, oder hat vielleicht eine andere Hautfarbe, da reagiert man vielleicht etwas distanzierter - also mal sich selber überprüfen, welche Vorurteile oder welche Einstellung ich selber habe. Ich meine, wir beide [zeigt auf RB und sich] können ganz trefflich hier darüber reden, wir sind weiß, wir sind von Rassismus eigentlich weniger betroffen in unserem Alltag, aber wie ist das zum Beispiel für Menschen, die eine andere Hautfarbe haben, die vielleicht auch eine andere sexuelle Orientierung haben, und die vielleicht auch einer anderen Religion zugehören, wie empfinden die selber solche Vorurteile, und da denke ich mir ist schon eine Unterscheidung da. Und es gibt ja - und damit will ich auch erstmal enden - es gibt Untersuchungen, dass man schon darauf bedacht sein sollte, über diesen Rechtsextremismus- oder Rassismusbegriff hinauszudenken und sich mal zu vergegenwärtigen, dass es in unserer Gesellschaft beispielsweise 30-40% in unserer Bevölkerung gibt, die immer noch sagen, wir haben zu viele Ausländer hier. Und das sind Einstellungen oder Verhaltensweisen oder Vorurteile, die natürlich auch trefflich von rechten Gruppierungen und von Nazis aufgenommen und kanalisiert werden.
HH: Das ist eine perfekte Vorlage für die nächste Frage, Ronny, wenn du von 30 bis 40 beispielsweise in einem Stadion sprichst, wir aber auch davon ausgehen können, dass diese Themen ja nicht nur Rechtsextreme interessieren, so wie du sagst, welche Rolle spielt Rassismus, also welche Unterschiede machst du da, wo fängt Rassismus im Stadion eigentlich an im Unterschied zu Rechtsextremismus, das sind ja auch oft "die anderen", die sind ja dann auch nicht so wie ich.
RB: Also, was der Gerd gesagt hat, fast 40%, mehr sogar, sagen, es gibt zu viele Ausländer in Deutschland, das sind ja meistens Einstellungen, die sind irgendwie in uns drin oder man hat die so im Hinterkopf, man würde sich aber nie trauen, sie auszusprechen. Und interessant ist, ob der Fußball vielleicht mit seiner Umgebung dazu beiträgt, dass es doch an die Oberfläche kommt, weil natürlich ist es da sehr emotional, man steht sich gegenüber, manchmal kommt Alkohol ins Spiel, diese Gruppendynamik ist wichtig. Ich habe ganz oft gesehen bei Fußballfans, auch wenn da ein, zwei Leute eine andere Meinung haben, die trauen sich nicht so wirklich, das zu sagen, und dann brüllt man sowas vielleicht leichter heraus. Und Neonazis, Rechtsextreme haben ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Aber es gibt ja viele Fußballfans, die würden sich niemals als Rassisten, Antisemiten bezeichnen und brüllen da eben doch mit. Und die sorgen dafür, dass sich Neonazis da wohl fühlen und vielleicht dort gefestigt werden. Wir sollten über diese Rangliste von Diskriminierungsformen sprechen. Natürlich ist es seit 10, 15, 20 Jahren ein großes Thema, Rassismus gegen Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe, Antisemitismus gegen Menschen jüdischen Glaubens, das ist Thema. Aber was ist zum Beispiel mit Homophobie gegen Homosexuelle? Oder Menschen mit Behinderung, "du bist behindert", hört man ganz oft auf dem Schulhof oder im Stadion, aber das ist eine Diskriminierung von Menschen, die eine Behinderung haben, und da gibt es immerhin 7 Millionen in Deutschland, also fast jeder zehnte oder mehr noch hat eine Behinderung in Deutschland. Antiziganismus – das habt ihr vielleicht noch gar nicht gehört – also Sinti und Roma, eine Minderheit in Deutschland, die größte Minderheit in Europa, zehn Millionen Menschen gehören dieser Volksgruppe an und da hört man ganz oft den Begriff "Zigeuner". Und die meisten, die das sagen, wissen eigentlich gar nicht, was ein "Zigeuner" sein soll, es ist ein Begriff, der vor allem von den Nationalsozialisten, von Hitler also, geprägt wurde, den gab es schon weit vorher, aber die Nazis haben 500.000 Sinti und Roma im zweiten Weltkrieg systematisch ermordet, und das wissen viele gar nicht, wenn sie diesen Begriff einfach hinausbrüllen. Da gibt es eine Rangliste, und Rassismus steht ganz oben, Antiziganismus vielleicht ganz unten. Diskriminierung beginnt für mich da, wo die Würde des anderen angetastet wird. Und warum kann man im Fußball seine eigene Mannschaft nicht mit Humor, mit Kreativität, mit Ironie, mit Selbstbewusstsein anfeuern, warum muss man da immer seinen Gegner runtermachen? Aber für viele gehört das eben zum Fußball dazu.
HH: Du hast damit auch die Frage beantwortet, die hier per Mail reinkam, da war nämlich auch die Frage, greift es nicht zu kurz, dass das Thema sich nur auf Rechte bezieht oder konzentriert und was mit all den anderen Rassismusformen oder Diskriminierungsformen ist. Also, diese Frage wurde beantwortet. Und das auch der Aufruf an euch, schickt uns eure Fragen und Anmerkungen und beantwortet die Umfrage oder die Umfragen, die wir geschaltet haben, zum Beispiel die Frage, ob man Fußball und Politik voneinander trennen sollte. Viele sagen ja, Sport ist unpolitisch, andere sagen, das ist es ganz und gar nicht. Und nachdem wir das hier alles gehört haben, könnte man ja auch davon ausgehen. Schreibt mir eure Meinung. Aber ich würde auch gerne euch hier im Raum fragen, was eure Meinung ist. Ihr habt so rote und grüne Karten in der Hand, und ich mach jetzt mal ein Stimmungsbild auf die Frage "Sollte man Fußball und Politik voneinander trennen?" Grün ist Ja und Rot ist Nein. Also einmal Hände hoch. [Karten werden hochgehalten] Ich würde sagen, die fast absolute Mehrheit, außer einer Stimme, stimmt dafür, dass man es nicht trennen sollte. Also wir sprechen darüber ganz einheitlich hier, ich bin gespannt, was in der Umfrage online sich ergeben wird. Aber bevor wir das sehen, die Frage an euch [an RB und GW], was würdet ihr den Leuten entgegnen, die sagen, Sport und Politik, das hat alles nichts miteinander zu tun – was entgegnet ihr denen?
GW: Wir sehen es ja ganz aktuell, ich meine Brasilien, was im Vorfeld der WM diskutiert wurde über die sozialen Unruhen, die es in Brasilien gab, dass Menschen auf die Straße gehen und sich gegen die Kommerzialisierung des Fußballs auflehnen, weil sie nichts zu essen und nichts zu arbeiten haben oder die Preise einfach steigen, dass zum Beispiel eine Angela Merkel sich in der Kabine der Nationalmannschaft ablichten lässt, also da muss jemand mir schon mal sagen, dass Fußball nichts mit Politik zu tun hat. Ich denke, gleichwohl muss man trennen zwischen Politik - also Parteienpolitik so wie wir es verstehen, CDU, SPD und die politischen Parteien, die es gibt - und politischem Bewusstsein, also ich denke, da müsste man noch mal ein bisschen differenzieren. Natürlich hat der Fußball was mit politischem Verhalten und Einstellungen und auch Bewusstsein zu tun. Wenn ich mir die Entwicklung des Fußballs angucke und dass es Gruppierungen, Ultra-Gruppierungen, Fans gibt, die sich einsetzen für eine lebhafte, kreative Fankultur, die sich dafür einsetzen, dass die Stehplätze hier in Deutschland weiter beibehalten werden im Unterschied zu anderen europäischen Ländern, Stichwort England, wo die Stehplätze abgeschafft werden, die sich dafür einsetzen, dass sich jede Person im Stadion wohlfühlt, also sich ganz engagieren gegen Rassismus und Diskriminierung, für Toleranz und respektvollen Umgang. All das ist doch nicht zu trennen von politischem Verhalten im Stadion. Und ich glaube, dass Vereine, die sehr wohl sich dieses Arguments bedienen, es sich sehr einfach machen, weil sie sich auch ein Stück weit davor scheuen, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Und wir sehen es auch bei aktuellen Beispielen, wie meinetwegen Aachen oder Duisburg, vielleicht nur so zum Verständnis, dass dort Gruppierungen, die sich vehement gegen jegliche Form von Diskriminierung engagiert haben, von anderen - von eigenen Gruppen - aus dem Stadion rausgeprügelt wurden und sich nicht mehr im Stadion aufhalten, dass der Verein sie nicht schützt. Das ist nichts anderes als normales zivilgesellschaftliches Einsetzen für bestimmte grundsätzliche Werte, und dass das aufgenommen wird und gerechtfertigt wird von vielen Verantwortlichen im Verein, zu sagen, naja, das hat nichts mit Politik zu tun - der Konflikt wird entpolitisiert, das ist eine Auseinandersetzung zwischen zwei rivalisierenden Gruppierungen, dann wird das verharmlost, dieses Verhalten, all das trägt nicht unbedingt dazu bei, diesen Vorurteilen zu begegnen. Und ich würde vielmehr dafür plädieren, dass die Vereine nicht nur die Aufgabe, sondern auch die Pflicht haben, diese Gruppen, die sich vehement und mit viel Liebe und Engagement für den Erhalt einer lebendigen Kultur einsetzen, auch diesen notwendigen Schutzraum zu geben, dass sie nicht Angst haben müssen, ins Stadion zu gehen, oder Angst haben müssen, wie in Aachen beispielsweise, dass sie verfolgt werden, da werden Hausbesuche gemacht, da werden Jugendliche in die Schule verfolgt und körperlich überfallen und angegangen. All das sind die Begleiterscheinungen, wenn man immer sagt, Fußball muss man von Politik trennen.
RB: Ganz kurze Ergänzung, dieser Satz, darüber freuen sich Rechtsextreme, nur ein Beispiel: Februar 2013 hat die NPD, also die Nationaldemokratische Partei Deutschland, eine rechtsextreme Partei, die mit vielen Neonazis und Volksverhetzern zusammenarbeitet, die hat ein Solidaritätsschreiben an Fanclubs in Thüringen verschickt. Dieses Schreiben hieß "Sport frei. Politik raus aus dem Stadion". Also, von solchen Leuten, die nutzen das vor allem, und da ist eine politische Partei, die sagt, Politik raus aus dem Stadion. Das heißt also, die hofft darauf, dass Fußballfans das ähnlich sehen und machen damit Werbung. Denn meistens kommt dieser Satz "Politik raus aus dem Stadion" den Rechten zugute. Deswegen Politik nie auf Partei und Parlamente verengen, sondern immer auch auf die Debatte.
HH: Also mehr Ehrlichkeit und mehr Unterstützung für die, die sich dagegen einsetzen. Ich habe jetzt das Ergebnis von der Web-Umfrage bekommen. Da ist es auch sehr interessant, nämlich 80% sagen auch, man sollte es nicht trennen. Und wenn man das Ergebnis hier in der Schule anguckt, das Ergebnis ist eigentlich eindeutig, aber wenn man in die Stadien und in die Ligen guckt, dann ist da noch einiges zu tun. [In die Kamera] Und der Aufruf an euch ist ja, stellt eure Fragen, schickt eure Anmerkungen! Und ich hab hier auch eine, die ist sehr lang – jetzt hab ich sie gelöscht, das ist nicht so gut, aber die kommt gleich wieder, wir machen einfach weiter und wir werfen jetzt mal einen Blick in die Stadien. Offener Rechtsextremismus ist in der Bundesliga mehr oder minder nicht mehr so offensichtlich. Es wurde von subtilem Rassismus gesprochen, von subtilen Botschaften, die man erst einmal erkennen muss. Wenn man sich nicht auskennt, übersieht man die sehr leicht. Aber er ist eben nicht verschwunden. Und er ist vor allem nicht verschwunden, wenn man aus den Stadien rausgeht, zum Beispiel die Anfahrts- und Abfahrtswege, die Haustüren von bestimmten Fans, da passiert ganz viel. Du hast uns ein paar Bilder mitgebracht, Ronny, nämlich für alle die, die das nächste Mal ins Stadion gehen und unter Umständen mal gucken, was so auf den Bannern steht, was die Leute für T-Shirts tragen. Erzähl doch mal, was wir da sehen können.
RB: Ja, auf dem ersten Bild sehen wir ein Transparent, das Cottbusser Fans hochgezeigt haben, um ihre Gegner aus Dresden zu beleidigen. Sie wählen den Begriff "Juden". Dieses Transparent richtet sich dort nicht gegen konkrete Menschen jüdischen Glaubens, sondern sie wissen, aufgrund der Geschichte ist der Begriff "Jude" mit den Klischees, mit Zuschreibungen verbunden, dass sie minderwertig sein sollen, dass sie schwach sein sollen. Ihr kennt die Geschichte, die Nazis haben sechs Millionen Juden im 3. Reich systematisch ermordet und seit Jahrhunderten werden Klischees zugeschrieben. Das greifen sie hier auf. Für viele ist das die ultimative Abwertung und es ist sehr, sehr selten, dass man das so massiv sieht. Es gibt aber vereinzelt immer noch antisemitische Schmähungen, dagegen muss man natürlich vorgehen.
Auf dem nächsten Bild sehen wir noch eine krassere Form. Das ist in Leipzig gewesen, 2006 bei einem Jugendspiel, wo kaum Zuschauer im Stadion waren, da haben so 30, 40 Leute ein lebendes Hakenkreuz gebildet. Ein Hakenkreuz, das war das Hoheitszeichen der Nazis, ist verboten in Deutschland, deswegen hat das auch Ermittlungen nach sich gezogen, da wurde aber leider niemand dafür wirklich belangt. Und das ist interessant, selbst wenn drei, vier Leute die Idee haben, dieses Hakenkreuz lebendig nachzubilden – es gibt im Fußball immer Hierarchien und manche Leute, die wollen vielleicht gar nicht mitmachen, machen es aber dann trotzdem, weil sie irgendwie nicht ausgestoßen werden wollen, kennen wir alle in solchen sozialen Netzwerken, wie das ist. Ein lebendes Hakenkreuz aus Leipzig 2006.
Das nächste Foto, das sind Fans des FC Erzgebirge Aue aus Sachsen in Mainz 2004. Die "88", die hat Gerd bereits erwähnt, das ist die Acht, der achte Buchstabe im Alphabet, das "H", in doppelter Fassung ist es der Hitlergruß, auch der ist in Deutschland verboten. Und die "14", die kennt ihr vielleicht nicht, "14" ist ein Zitat eines amerikanischen Rechtsterroristen und dessen Zitat – den Inhalt muss man sich nicht merken, ist ein rechtes Zitat – ist 14 Worte lang. Jetzt schaut euch an, die Zahlen sind ja relativ groß, wie kriegt man die ins Stadion? Ich habe einen Vortrag gehalten in Schwarzenberg in Sachsen, da waren Fans des FC Erzgebirge, und da war auch einer derjenigen im Saal, die diese Zahlen entworfen haben, und der hat gesagt, ja, wir wollen diese Zahlen im Stadion in Mainz hochhalten, weil wir ein Jubiläumsjahr von Mainz 05 hochhalten wollen, da haben die Ordner gar nicht großartig nachgefragt. Aber ihr wisst selbst, der Fußball ist ja sehr alt, aber es gab keinen Verein, der schon 1488 gegründet worden ist. Deswegen haben die schön die Ordner in die Irre geführt, das wäre heute glaube ich, zehn Jahre später, nicht mehr so leicht möglich.
Und das letzte Bild, da sieht man einen Schal, Skinheads, "Deutschland mein Vaterland", auch das eine offene rechtsextreme Botschaft, beim Public Viewing 2008 in Hamburg. Und wir wissen, wir haben ja gerade wieder ein großes Turnier, wir haben da oftmals Party-Patriotismus, "wir sind alle eine Nation", das macht ja vielleicht auch vielen Spaß und es ist ja auch schön, aber da können solche Leute auch wunderbar drin untertauchen. Denn man kann sein eigenes Land feiern im Fußball, aber ganz schmal ist der Grat, dass man dann plötzlich den Gegner, wie Portugal, wie Ghana, wie vielleicht auch die USA, dadurch abwertet. Und das muss nicht so sein, aber das kann so sein, dass sich da Leute eben wohlfühlen.
GW: Ich würde noch eine kleine Ergänzung machen zu diesen Codierungen, also diese 1488, es gibt ja über hundert verschiedene Codes und Symboliken, die da gezeigt werden und manchmal kommt man sich vor wie im Hamsterrad, weil in dem Moment, wo wir drüber reden, werden auch aus der Szene ganz neue Codierungen entwickelt. Also, 88 wird umcodiert in zwei mal 44, oder 87 plus eins, um dieses klassische 88 zu umgehen, weil das ist das Symbol, das am Gängigsten ist, dieser achte Buchstabe, "Heil Hitler". Ich mach ja auch viele Vorträge vor Schülern, in Schulen, bei Vereinen, und dann sag ich immer, das soll sicherlich zum Anlass genommen werden, um bisschen aufmerksam zu sein, aber nicht per se zu sagen, alle, die eine 88 hochhalten, sind Rechtsextreme. Auch da muss man genauer hinschauen, man muss sich dann auch die Mühe machen - also "man" heißt dann in dem Fall der Trainer, der Übungsleiter oder auch der Lehrer, die Lehrerin - den Schüler zu fragen, wenn der mit einem Trikot und mit der 88 auf dem Rücken auftaucht, was heißt das denn für dich, was bedeutet das? Bedeutet das, dass du deinen Baseballspieler aus den USA, der die Rückennummer 88 trägt, unterstützt oder hat das für dich noch eine andere Bedeutung? Also man muss sich da schon die Mühe machen, mit den Jugendlichen oder mit den betreffenden Personen ins Gespräch zu kommen, um zu erfahren, was denn an geistiger Haltung oder an politischer Haltung dahintersteckt, um dann auch entsprechend agieren zu können. Keiner wird auf die Idee kommen, alle Hamburger Autofahrer als rechtsextrem zu bezeichnen, nur weil sie das HH auf dem Nummernschild haben. Insofern lohnt es sich da schon - und das ist immer mein Credo, also meine Philosophie - einfach mit den Leuten zu reden, um zu erfahren, was sie denken, und nicht nur zu beurteilen, was sie zeigen.
HH: Eine ganz wichtige Frage ist, ich gehe ins Stadion, wir sind hier jetzt in Potsdam, aber es gibt ja auch Zuschauer, die sind in anderen Städten unterwegs – gibt es denn Vereine, wo es, ich sage mal, besonders schlimm ist oder weniger schlimm? Du hast ein paar Städte schon angesprochen, was ist da so eure Erfahrung? Ein paar Beispiele wären schön.
RB: Ganz oft kommt die Frage, ob es im Osten ganz, ganz schlimm ist, und ich finde, geografisch ist es schwierig, sowas zu verorten, sollte man nicht machen. Wir kriegen die Fragen vielleicht in Bayern oder in Baden-Württemberg, da sieht es anders aus vielleicht, aber die Frage nach Geografie ist vielleicht unterbewusst immer so ein Wegschieben – im Osten, da in Magdeburg, in Rostock, die haben Probleme, und bei uns ist es nicht so. Und selbst wenn es noch nicht so ist, es kann irgendwann so sein. Das habe ich auch gemerkt, manchmal sind da Neonazis mit sehr viel Energie, die müssen 100 km weiter gehen und können da wieder ein Netzwerk entwickeln. Vereine, wo es momentan problematisch ist, wir haben Aachen angesprochen, Braunschweig - es gibt Jonas Gabler, Gerd Dembowski, Wissenschaftler aus Hannover, die haben einen großen Blick drauf, und die sagen, fast 20 Fanszenen, 15 Fanszenen, auf jeden Fall beträchtlich viele Fanszenen, wo antirassistische Fußballfans bedrängt werden, weil sie gegen Rassismus sind, und das ist ja eigentlich ein Mindeststandard. Stellt euch mal vor, unser Motto hier heute, wir informieren über Rechtsextremismus, würde automatisch nach sich ziehen, dass wir draußen von Hooligans erwartet werden. Und da ist es in Aachen, in Braunschweig, in Duisburg, in Dortmund zum Teil so. Deswegen eher proaktiv, eher sagen, wir könnten Probleme bekommen, wir informieren vorab, dass das nicht passiert, denn wenn es erstmal aufkommt, wenn Codierungen zu sehen sind, wenn Neonazis auftauchen, wenn es zu Gewalt kommt, ist das schwierig einzufangen.
GW: Ich würde vielleicht auch noch ergänzen wollen, also natürlich, es gibt schon Regionen, wo es eine hohe Anzahl von rechten Strukturen gibt. Also, jetzt sage ich mal, in "Westdeutschland" - Aachen wurde jetzt genannt, Aachener Land, in Dortmund ist mit die bekannteste Hochburg, wo rechte Gruppen, Menschen aus der rechten Szene sich aufhalten, und die haben natürlich auch eine Überschneidung, haben eine Leidenschaft auch zum Fußball, die gehen natürlich auch zum Fußball. Wie gesagt, Ronny hat es ja auch vorhin angedeutet, auch in der Südkurve von Borussia Dortmund, wo 24 000 Menschen stehen, sind natürlich auch Nazis da. Aber die haben halt nicht die Chance, sich dort bemerkbar zu machen. Es gibt auch keine statistisch verlässlichen Angaben, es gibt ja keinen, der da zählt und sagt, bist du rechts, darfst du jetzt hier rein oder darfst du hier nicht rein ins Stadion. Das ist immer ganz schwierig. Man muss auch sagen, auch Vereine, die über die Medien immer als in die rechte Ecke dargestellt werden, also wie Dynamo Dresden, um mal ein Beispiel zu nehmen, auch da muss man differenzieren. Natürlich hat Dynamo Dresden auch ein Problem mit Gewalt und mit Rechtsextremismus, aber es gibt natürlich auch innerhalb dieser Fanszene von Dynamo Dresden engagierte und sehr kreative Fußballfans und Jugendliche, die sich vehement gegen Rassismus einsetzen. Als Beispiel: Letztes Jahr gab es ein Pokalspiel in Chemnitz, da hat Dresden in Chemnitz gespielt, und da wurde ein Schwarzer Spieler von Dresden, Mickaël Poté, dort rassistisch beleidigt. Und die Mitspieler haben sich sehr schnell solidarisch mit dem Mitspieler gezeigt und haben gesagt, das dulden wir nicht. Und auch der Verein hat sehr schnell darauf reagiert in Zusammenarbeit mit einigen Fans, und hat gesagt, das wollen wir nicht tolerieren, das ist für uns inakzeptabel, wir sind ein Verein mit verschiedenen Nationalitäten, in unseren Kader gehören 28 Profispieler, die haben 28 unterschiedliche Biografien, hier sind 28 zum Teil unterschiedliche Nationalitäten, die dort spielen, und haben unter dem Motto eine Erklärung herausgegeben, wir sind ein bunter Haufen, bei uns kann sich jeder wohlfühlen in der Mannschaft und es ist unabhängig von der Hautfarbe oder der religiösen Zugehörigkeit oder sexuellen Orientierung usw. usf. Und das wird aber auch zu wenig über die Medien, so positive Beispiele, ins Schaufenster gestellt. Es wird immer leicht auf negativen Vorfällen, auf negativen Beispiele herumgeritten und ein Verein dann stigmatisiert. Natürlich, wie gesagt, gibt es in Dresden, in Bremen, in München, auch in Hannover, wo ich herkomme, solche Vorfälle. Aber man würde diesen Vereinen dann auch Unrecht tun, sie pauschal als rechter Verein abstempeln zu wollen. Also da muss man immer sehr differenziert hinschauen.
HH: Das ist ein guter Hint zu einer Frage, die ich vorhin per Mail reinbekommen habe, die war sinngemäß: Wie kann es eigentlich sein, wenn Fußballspieler sich – davon gehen viele aus – mit ihren Vereinen identifizieren, und wenn sie aufs Fußballfeld gucken, aber eigentlich Menschen und Spieler sehen mit ganz unterschiedlichen Herkunftsgeschichten, wie funktioniert das im Kopf? Also, identifiziere ich mich jetzt oder habe ich irgendwie die Realität nicht gesehen? Weil du das gerade angesprochen hast, Buntes auf dem Feld. Wie funktioniert das? Inwiefern ist denn dann Fußball noch identitätsstiftend für Menschen mit rechter Gesinnung?
RB: Naja, es gibt ja auch keine homogene Rechte, also der Verfassungsschutz geht von 25.000 Rechtsextremen aus, es gibt viel viel mehr Leute, Hunderttausende, die gewisse Elemente mittragen, rechte Elemente, und das kann man nicht so einfach sagen. Ganz oft ist es ja auch so bei Codierungen oder bei Bannern, bei anderen rechtsextremen Handlungen, dass da vieles reingepresst wird. Also, man nimmt sich einfach das, was zu einem passt bei Codierungen usw. und interpretiert das für sich um. Das ist bei Codierung so, das ist bei Musik so. Und ja, es gibt welche, es gibt zum Beispiel den Klaus Beier, der ehemalige NPD-Pressesprecher der Neonazi-Partei, der hat zum Beispiel Mesut Özil mal beleidigt, weil er damit Stimmung machen wollte. Der gleiche Klaus Beier bringt aber zur WM einen WM-Planer raus und will sich natürlich auch da ranschmeißen, weil alle den Fußball natürlich für sich nutzen wollen. Deswegen - das widerspricht sich oft. Das ist ja bei Fußballfans auch so, alle Bundesligamannschaften, alle Profimannschaften sind mulitkulturell, aber in meinen Recherchen war es dann oft so, dass sie den Fußballverein losgelöst von den Spielern sehen. Da wird dann der Fußballverein eben als das Symbol genommen für die eigene Stadt, für die eigene Region, auch für das eigene Land, und dann ist der Fußballverein auf einmal die Metapher für Treue, für Freunde, für Männlichkeit. Und das sind natürlich auch Symbole, die Neonazis dann leicht aufgreifen können. Da gibt es keine einfache Lösung und da wird sich oft mal so puzzlemäßig was genommen und es ist ja auch nicht so, dass Neonazis sich dann wirklich auch – das ist auch wichtig zu betonen, dass die NPD oder Neonazis sich nicht mit dem Sonnenschirm vor das Stadion stellen und Mitgliedsanträge verteilen. Das machen die natürlich nicht, sie wissen natürlich, dass wir da alle kritisch hingucken und uns sofort beschweren würden. Sie gehen natürlich auch darin auf und fühlen sich wohl und wollen dadurch auch ein Stück normaler werden, indem sie eben auch beim Fußball mitschwimmen. Und wenn wir jetzt auf den Amateurfußball gucken, da ist es eben auch so, dass die als Schiedsrichter, Sponsoren einfach mitmachen wollen und dadurch eben ein Stück normaler werden, aber so normal nach demokratischen Gesichtspunkten sind sie natürlich nicht.
HH: Du hast jetzt von Widersprüchen gesprochen, also nicht alles ist auch wirklich logisch, aber - oder ich weiß nicht, wie es euch geht - wenn man so oberflächlich schaut, hat man ja schon so ein Bild von einem rechten Fußballfan. Und dann fällt auch zum Beispiel das Wort Ultras – gewaltbereit, rechts. Was würdet ihr sagen, stimmt dieses Bild oder wie gucken wir differenziert drauf, wenn wir über Rechte im Stadion sprechen? Alles Ultras, alle kriminell, alle gewaltbereit?
GW: Natürlich nicht, da bedienen wir uns auch Bilder, die zum Teil - ich will jetzt nicht immer in die große Medienschelte gehen - aber die natürlich über die Medien, über die Zeitung, über das Fernsehen an die Oberfläche transportiert werden. Also, wir reden mittlerweile von einer sehr differenzierten Fanszene. Also erstmal: Ultras, auch von der Entstehungsgeschichte her, sind keine rechten Fans. Das mag in Italien anders sein, die Ultrabewegung kommt ja aus Italien, aus dem italienischen Fußball, wie sich das dort entwickelt hat, das steht jetzt auf einem anderen Blatt, aber hier in Deutschland ist es so, dass die Ultraszene, so wie sie sich hier entwickelt hat, eher aus einer Szene entstanden ist, die – wenn man es einordnen will – eher links orientiert ist und sich für ein weltoffenes Weltbild einsetzt. Natürlich gibt es mittlerweile bei den Ultras, die sich so in den 80er, 90er Jahren hier in Deutschland entwickelt haben, auch vom Alter her verschiedene Generationen, mittlerweile gibt es die dritte, vierte Generation der Ultras. Die, die Anfang der 90er Jahre in den Kurven standen und ihrem Verein zugestimmt haben, die sind jetzt etwas - ich sag jetzt mal etwas platter - gesettleter, haben Familie, und die stehen jetzt nicht mehr in der Kurve, vielleicht können sie auch nicht mehr stehen, sondern die sitzen dann ja auf den Sitzplätzen.
HH: Sagst du nochmal kurz – Ultras, damit wir ein Bild haben - was die genau sind, für was die genau stehen?
GW: Das sind die Fans, die wir immer gerne, oder vielleicht in den Medien gerne in den Kurven sehen, die die Choreografien machen, also die Banner, die dann hochgezeigt werden, die auch im Grunde genommen für die Stimmung sorgen und die die Mannschaft anfeuern und den Verein bedingungslos unterstützen. Es gibt ja so ein Motto, 24/7, also 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, das ist so eine Form von Lebenskultur, die Jugendliche über den Fußball ausleben, und sich dort ihre Leidenschaft in dem Fußball zeigt, unterschiedlich wie gesagt, Banner, Choreografien, Doppelhalter, und bei jeder Auswärtsfahrt mitfahren. Die unterscheiden sich von anderen Fans, die das eben nicht so machen. Das sind die Ultra-Fans. Das ist keine homogene Gruppe, sondern die setzen sich auch aus unterschiedlichen Gruppierungen zusammen. Natürlich gibt es auch innerhalb der Ultraszene Gruppierungen, die sagen, das lassen wir uns nicht gefallen, wenn uns andere Gruppierungen angreifen, dann setzen wir uns auch mit Gewalt zur Wehr. Es gibt aber auch Ultragruppierungen, die von sich behaupten, naja, wir sind eher unpolitisch, was auch immer das heißen mag, und es gibt aber auch Gruppierungen innerhalb der Ultraszene, die sagen, nee, für uns steht ganz oben auf der Agenda, dass wir uns gegen jegliche Form der Diskriminierung einsetzen. Deswegen ist es immer auch sehr leicht zu sagen, alle Ultras sind gewalttätig und rechts, das stimmt so nicht, weil Gewalt und Rechtsextremismus hat keinen unmittelbaren Zusammenhang. Man kann sich auch gewalttätig verhalten im Fußball, ohne dass da ein rechter Hintergrund steht, und umgekehrt, es gibt auch rechtsextreme oder rechte Vorfälle, ohne dass das mit Gewalt zu tun hat. Wir haben es ja gerade gesehen, also wenn ein Banner gezeigt wird im Stadion, hat das ja erst mal nichts mit Gewalt zu tun, sondern es ist erst mal nur eine Symbolkraft, die über ein Banner oder über eine Aussage in die Kamera gehalten wird.
HH: Sehr kompliziert quasi zu erkennen für einen Laien. Banner kann man erkennen, aber wenn ich jetzt Ultras sehe, unter Umständen nicht, aber vielleicht ist das ganz gut, im Hinterkopf zu behalten. [in die Kamera] Und nochmal der Aufruf an euch, wir haben nämlich drei Umfragen online. Und die eine Frage lautet, die ich euch jetzt auch noch mal hier im Raum und online stellen möchte: Sollten rechte Fußballfans Stadionverbot bekommen? Beantwortet sie direkt unter dem Livestream, oder ihr hier mit den roten und grünen Karten – grün ist Ja, ein Verbot, rot ist Nein, kein Verbot. Also, sollten rechte Fußballfans ein Stadionverbot bekommen, was sagt ihr?
Eins, zwei, drei, vier, fünf sagen, sie sollten kein Stadionverbot bekommen. Der Rest sagt Ja. Jetzt bin ich aber ziemlich neugierig und würde am liebsten mal fragen, warum sollten sie kein Stadionverbot bekommen? Mag da jemand von euch im Raum antworten?
S1: Sie dürfen natürlich noch Fußball gucken oder ihre Mannschaft anfeuern, aber ich würde sagen, man könnte weitere Aufrufe machen, dass sie im Stadion sowas unterbleiben lassen sollen. Also dass sie keine Plakate aufhängen sollen, aber sie dürfen natürlich ihre Mannschaft anfeuern, würde ich sagen.
[im Hintergrund]: Will noch jemand was sagen?
HH: Ich glaube das ist ok, auch im online-Voting ist herausgekommen, dass 63% ein Verbot wollen, das sind dann ja auch knapp 40%, die es nicht wollen. Es geht also ein bisschen um "es sind doch auch Fußballfans". Jetzt ist natürlich die Frage, was sagt ihr dazu? Sollten sie eins bekommen oder nicht?
RB: So einfach ist die Frage vielleicht nicht so wertvoll, denn – klar, das Verbot, die Verbannung, darüber sprechen wir auch bei Parteien oder bei Kameradschaften oder bei anderen Institutionen, aber die haben ja ihre Einstellung, die haben ihre Gedanken, und sollten sie nicht im Stadion sein, sollten sie aus der Schule rausgeschmissen werden, aus dem Kino, aus dem Jugendclub, sie würden die Einstellungen draußen immer noch haben. Was wäre also damit getan? Ganz wichtig ist - und selbst, wenn sie still im Stadion sein würden, das sind die meisten ja auch heutzutage, man sieht ja keine Symbole - dass sie trotzdem... die meisten wissen es ja, sie haben also eine stille Präsenz und sie haben damit eine symbolische Kraft und man weiß nie, wer sich dort von denen eingeschüchtert fühlt, wer sich dadurch nicht mehr ins Stadion traut, wer von denen doch irgendwie unterschwellig vielleicht angesprochen wird. Deswegen ist eben ganz, ganz wichtig, dass ein Fußballverein - der ist bekannter als wir alle drei zusammen, der hat ein Stadionheft, der hat eine Homepage, die Spieler sind bekannt - dass die frühzeitig informieren: wofür stehen Codierungen, wofür stehen Neonazis, was haben die für eine Funktion. Wenn man regelmäßig sein Publikum informiert, dann kann das Publikum, dann kann die Fanszene demokratisch entscheiden, wollen wir die im Stadion oder wollen wir die nicht. Und wenn da in der demokratischen Diskussion sich eben eine Mehrheit entscheidet, so wie hier eben ja auch, raus oder nicht raus, dann muss man es machen. Aber von oben herab zu sagen, Verbot - das hat glaube ich keinen Wert. Ich hatte mal an einer Schule jemanden, der hatte einen rechtsextremen Pulli an, der hat mich richtig provokant angeschaut, der hat darauf gewartet, dass ich ihn rausschmeiße. Und neben ihm saßen seine Mitschüler, und die wollten sich gegen mich verbünden. Es kommt dann sozusagen zu Solidarisierungen, die halten zusammen gegen den bösen Typen, dann können die sich ja auch zurückziehen, "wir sind die Opfer, wir sind die Verfolgten, wieder werden wir rausgeschmissen" – dadurch werden sie auch wieder ein Stückchen stärker und bekommen mehr Selbstbewusstsein. Deswegen: was Gerd gesagt hat, mit ihnen reden, sie fragen, informieren, und wenn am Ende einer sehr langen Debatte entschieden wird, ja, bei uns im Stadion nicht, dann müssen sie das befolgen. Aber diese Diskussion, die Debatte ist glaube ich das Wichtige auf dem Weg zum Verbot.
GW: Ich würde da noch eine Ergänzung machen wollen. Ich bin ja von der Koordinationsstelle Fanprojekte, kann ich ja vielleicht nachher ein bisschen was erzählen, was sich dahinter verbirgt, und wir haben die Aufgabe, Fanprojekte zu betreuen, die mit jugendlichen Fußballfans arbeiten. Fanprojekte sind sozusagen sozialpädagogische, klassische Jugendarbeit, also die machen mit Jugendlichen Jugendarbeit. Und die haben natürlich eine andere Möglichkeit, wenn sie mit Jugendlichen arbeiten, von denen sie den Eindruck haben, die sind vielleicht im Einfluss von rechten Gruppierungen, die dann auszugrenzen, deren Weltbild oder deren politisches Bewusstsein vielleicht noch nicht so abgeschlossen, so gefestigt ist, und sie dann gleich auszugrenzen, das ist natürlich noch eine zusätzliche Bestrafung. Man hat eher eine Chance, gerade mit jungen Menschen, wo man sagt, naja das ist vielleicht eine unbedachte Äußerung gewesen, und sie vielleicht nicht gleich in die rechte Ecke zu drängen, zu sagen, hör zu, es gibt auch noch andere Meinungen, und mit ihnen zu reden und ihnen alternative interessante Angebote zu machen, ohne dass sie der Gefahr ausgesetzt sind, in die rechte Ecke abzuwandern. Das finde ich ganz, ganz wichtig, und das gibt es eigentlich zu wenig, das wird zu wenig gemacht, und da gibt es auch unterschiedliche Stufen. Ronny hat es gesagt, über Vereine, die dann sagen, wie mache ich denn den Zugang von rechten Gruppierungen nicht leicht, über eine Stadienordnung, über eine Vereinssatzung, über ein eigenes Leitbild - also wo ich ausdrücke, wofür ich stehe und wofür ich nicht stehe. All das sind ja Zeichen, um rechten Gruppierungen zu sagen, ihr seid eigentlich hier nicht so willkommen, oder wenn ihr schon da seid, dann haltet gefälligst die Klappe und artikuliert euch nicht, es gibt genauso gut einen Großteil von anderen Fußballfans, von anderen Menschen, die eigentlich eine andere Meinung haben. Das fände ich wichtig, dieses Positive eher nach vorne zu schieben, als jetzt gleich zu sagen, wir wollen die hier gar nicht haben - die agitieren ja trotzdem weiter.
HH: Also ganz klar eine Gegenstimme für Ausschluss. Die Meinung hat auch jemand, der uns eine Mail geschrieben hat, der sagt nämlich, Stadionverbot wegen Gesinnung, das ist problematisch, man braucht einen Kriterienkatalog. Die Frage ist aber, wo ist die Grenze? Ihr habt von Satzung und von Öffentlichkeit und Diskurs gesprochen, aber wo ist denn da die Grenze? Wie kann ich das denn greifbar machen? Ab wann geht es denn und ab wann geht es denn nicht mehr?
GW: Auch das ist schwierig. Wir sagen ja auch, es gibt auch eine Selbstregulierung innerhalb der Fanszene, also mal ganz praktisch gesprochen, wir reden ja immer von der Kurve, abgesehen davon, dass es Rechtsextremismus nicht nur in der sogenannten Fankurve, sondern auch auf der Haupttribüne gibt, wo ganz prominente oder vermeintlich prominente Menschen sitzen, da hab ich manchmal auch gesessen und war dann erstaunt, wie teilweise viel rassistischer geredet wird über Menschen, die auf dem Fußballplatz Fußball spielen, als in der sogenannten Kurve, die immer leicht als rechtsextrem oder rassistisch angehaucht dargestellt wird. Ich denke, diese Selbstregulierung funktioniert zum Teil ganz gut, also wenn neben mir jemand steht und sagt, "Schiri, du alte Schwuchtel", und beleidigt den, dann gibt es auch jemanden, der sagt, hör zu, das hat hier nichts zu suchen, und wenn du das nochmal sagst, fliegst du hier aus dem Block raus. Da braucht man nicht groß mit Stadienverboten agieren. Wenn es aber wiederholt vorkommt und er immer wieder auftaucht, und der nicht zu belehren ist, dann muss man eben auch zu drastischen Mitteln greifen und sagen, hör zu, du hast hier nichts verloren, du kannst dir deinen Fußball angucken, aber nicht hier im Stadion, such dir eine Kneipe und guck in den Fernseher.
RB: Vielleicht sollte man da auch nochmal auf den Amateurfußball gucken, viele von euch spielen auch Fußball, und viele der Zuschauer sicherlich auch. Und was machen denn Vereine, bei den Amateurvereinen ist es ja noch schwerer. Schiedsrichter, Funktionäre, die machen das alles ehrenamtlich, die kriegen dafür kein Geld. Und was macht man, wenn zum Beispiel ein Neonazi sich als Sponsor andienen will? Vereine haben kein Geld. Was macht man, wenn ein NPD-Mitglied Schiedsrichter ist oder wenn ein Torwart die 88 trägt? Da sind ja oftmals die Sportfunktionäre überfragt. Und ganz, ganz wichtig ist auch, dass Fußballvereine, das gilt noch mehr für die Amateurvereine, sich umschauen und sich öffnen auch für externe Hilfe, denn das haben wir alle gemerkt, dass die meisten wirklich niemanden in die Karten schauen lassen möchten. Da gibt es ja nicht nur die Bundeszentrale, sondern auch ganz viele andere externe Kräfte, die dafür zur Verfügung stehen. Eine starre Grenze gibt es da einfach nicht, jedes Beispiel muss für sich beurteilt und erfragt werden. Ich habe selbst einmal einen Schiedsrichter aus der NPD beobachtet, der war da seit drei Jahren Schiedsrichter, der war natürlich ganz ruhig und ganz höflich und ganz zuverlässig, der hat seinen Job gemacht. Und als es dann rauskam, wollten sie den ausschließen, dann haben aber alle andern gesagt, nee, der ist aber fleißig, der ist gut, den wollen wir belassen. Sie wussten nicht, was der sonst noch in seiner Freizeit auf dem Kerbholz hat, denn der hat nämlich stramm rechts volksverhetzende Sachen losgelassen. Er hat gegen Menschen mit Migration gehetzt und da muss man eben frühzeitig informieren und sich öffnen. Und das ist in den letzten Jahren auch alles viel besser geworden, aber es geht immer noch besser.
HH: Jetzt haben wir ganz viel Theorie besprochen - sollte man, sollte man nicht. Wie ist es denn in der Realität, werden denn rechte Fans aus dem Stadion verwiesen, also wenn es offensichtlich ist? Oder werden die dann geduldet? Wenn wir die Fotos sehen, Banner werden gehängt, was passiert denn da?
GW: Unterschiedlich. Wir haben ja gerade vorhin von dem Beispiel Aachen, Duisburg, Braunschweig gesprochen, um nur einige zu nennen, von vielen wissen wir ja auch gar nichts. Wir können ja nur über Vorfälle reden, die uns bekannt sind, die entweder über die Medien bekannt gemacht werden oder über Fans, die dann über Facebook oder über andere Medien das weiter kommunizieren. Wenn wir das sonst nicht gewahr werden, reden wir wahrscheinlich über eine große Grauzone, die immer noch im Verborgenen bleibt, und nicht nur im Amateurbereich, sondern vielleicht auch im Halbprofi- oder Profibereich. Jetzt habe ich den Faden verloren, weil ich die Frage vergessen habe.
HH: Wie es in der Realität aussieht.
GW: Unterschiedlich. Es gibt auch Vereine, die sagen, wir grenzen die aus oder wir machen es denen schwer, hier überhaupt Fuß zu fassen oder sich zu artikulieren. Um als Beispiel mal jetzt nicht immer die bekannten Vereine, sondern mal Werder Bremen zu nehmen, die "leisten sich" den Luxus, eine hauptamtliche Abteilung zu unterhalten, die nennt sich AG Sozialmanagement, das hört sich erst mal sehr unverfänglich an, aber in dieser Abteilung sitzen hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich auch um das Thema Diskriminierung kümmern. Die machen eine eigene Arbeitsgruppe, mit Fanclubs zusammen, mit Fans und mit dem Verein zusammen, entwickeln einige Aktionen. Natürlich gibt es auch dort bei Werder Bremen, auch wenn es da so tolle Arbeitsgruppen und Voraussetzungen gibt, Rechte, die sich im Stadion aufhalten und Fußball gucken, aber wie gesagt, die haben keine Chance, diese Meinunghoheit zu gewinnen und werden aus dem Stadion entweder mundtot gemacht, also sie können sich da nicht äußern, oder es werden andere Aktionen gemacht, die es ihnen schwer machen, sich dort aufzuhalten. Andere Vereine agieren da etwas zögerlicher. Um wieder doch Aachen zu bemühen, das war ein sehr fatales Signal auch für die ganze Szene insgesamt, weil es dort wirklich gelungen ist, eine engagierte Jugendgruppe, ich habe es ja vorhin erwähnt, wortwörtlich aus dem Stadion zu prügeln. Die wurden eben auch nicht gestärkt vom Verein. Die wurden im Regen stehen gelassen, da wurden sogar die Täter letztendlich zu Opfern gemacht, weil sie gesagt haben, naja letztendlich sind es die Linken oder die linken Ultras, die die Störenfriede sind - Aachen war damals von der Insolvenz bedroht – wir haben noch ganz andere Probleme zu lösen, und jetzt kommen die auch noch an, die Jugendlichen, und wollen uns was über Toleranz und respektvollen Umgang erzählen, das können wir jetzt überhaupt nicht gebrauchen, es geht ja eigentlich um die Zukunft unseres Vereins. Das ist ein wirklich fatales Signal gewesen auch innerhalb der Szene, wo nämlich deutlich wurde, dass Gewalt sich durchaus lohnt, dass es sich durchaus lohnt, mal gegen Gruppen vorzugehen, die eigentlich nichts anderes tun, als sich um ganz normale zivilgesellschaftliche Werte einzusetzen. Und das hat sicherlich andere rechte Gruppierungen aus anderen Vereinen eher ermutigt, auch so zu agieren wie in Aachen. Deswegen ist Aachen immer so ein prägnantes Beispiel dafür, wie ein Verein eben nicht gut agiert und was es für fatale negative Folgen haben kann.
HH: [in die Kamera] Umgang mit Rechten im Stadion, kein einfaches Thema. Was denkt ihr, habt ihr Fragen, Anmerkungen oder vielleicht eine ganz konkrete Meinung, wie man mit ihnen umgehen sollte? Schreibt uns über Facebook und Twitter, der Hashtag #wirgegenrex mit dem X am Ende. [in den Saal] Und auch die Frage an euch, habt ihr vielleicht Fragen an die Experten, die euch während dem Input gekommen sind, dann ist jetzt eure Chance, sie zu stellen.
Ja, haben wir ein Mikro?
S2: Und zwar wollte ich fragen, ob auch Frauen bei solchen Organisationen oft dabei sind oder ob sich das ausschließlich auf Männer bezieht?
RB: Wir haben ja jetzt in dieser Debatte um den Nationalsozialistischen Untergrund mit Beate Zschäpe, also das sind Rechtsterroristen, da hatten wir eine Frau. Und dadurch ist dieses Thema immer mehr in die Medien gekommen, Frauen im Rechtsextremismus. Das ist ja gerade ein Thema, was hin und wieder diskutiert wird. Während meiner Recherchen, das ist jetzt ein ganz anderes Feld, der Fußball, während meiner Recherchen habe ich bei den Fangruppen, gerade bei den rechten Fangruppen, ganz selten Frauen und Mädchen erlebt, und wenn dann waren es eher welche, die im Hintergrund geblieben sind und die nicht wirklich was zu sagen hatten. Das mag jetzt nicht repräsentativ sein, aber auf der anderen Seite, wenn wir mal bei den antirassistischen Ultras, und das ist vielleicht wichtig zu betonen: die Fußballvereine haben meistens immer reagiert, wenn es problematisch für sie wurde - wenn Leute angegriffen wurden, wenn es Gewalt gab - teilweise durch Medien, teilweise aber auch durch die Fans. Das Bündnis Aktiver Fußballfans hat viel geleistet, die Faninitiative Gelsenkirchen, Löwenfans gegen Rechts, es gibt gute Sachen von der Basis heraus, da sind natürlich viele Frauen dabei, weil die achten darauf, dass sie gleichberechtigt zusammenarbeiten. Aber auf der rechten Ebene habe ich das selten erlebt.
HH: [an die Fragestellerin] Für dich zur Info, auf der Seite von der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es einen Schwerpunkt zum Thema Frauen und Rechtsextremisms. Das ist nicht explizit Fußball, aber es ist sehr spannend, da könntest du nochmal nachschauen. Genauso – [zur Seite] du hattest öfter Aachen erwähnt – da gibt es auch ein Video und ganz viele Hintergrundinfos, was in Aachen so genau geschichtlich passiert ist.
RB: Es ist aber auch wichtig, es gibt ein Netzwerk Frauen im Fußball und es gibt auch – das vergisst man immer – es gibt auch Sexismus, dass man sich ganz viele sexistische Sachen anhören muss. "Der spielt ja wie eine Frau", das würdet ihr vielleicht gar nicht so schnell merken, aber es ist natürlich eine Bemerkung, die Frauen reduziert. Oder wenn man über Frauenfußball spricht, vor der WM 2011 in Deutschland, da wurden die Spielerinnen oft auf Make-up, auf Aussehen, auf das schöne Spiel reduziert. Da beurteilt man Menschen eben nicht wegen ihres individuellen Verhaltens, sondern wegen eines angeborenen Merkmals, dass sie halt Frauen sind. Das geht dann ganz oft auch mit Homophobie einher, dass dann Frauen oder Spielerinnen alle "Kampflesben" sind, das hört man ja auch oft, das sind Klischees, und da muss man dagegen angehen, da muss man informieren und das ansprechen, deswegen ist dieses Frauenthema noch viel zu selten im Fußball Thema.
HH: Kommen wir zu einem nächsten Aspekt. Das Thema Fußball, Rechte und Rassismus ist ja ein sehr breites, wie man jetzt feststellt. Aber wir haben es immer mal wieder angesprochen, es gibt einen Unterschied zwischen den Stadien der Bundesliga und auf Europaebene und zu Amateurvereinen. Ich würde gerne den Blick auf Amateurvereine richten. Da kamen jetzt immer mal wieder Anspielungen, Ehrenamtlichkeit, man kann nichts tun, vom Sponsor bis zum Trainer und zum Mitspieler. In welcher Art und Weise sind denn Rechtsextreme in diesen Amateurligen unterwegs? Abgesehen davon, dass sie sich sozusagen dort ein Feld gesucht haben, wo es leichter ist hineinzukommen. Was sind da zum Beispiel Praktiken, Methoden, also wie funktioniert das subtil?
GW: Ja, subtil oder weniger subtil, also ganz unterschiedlich, man muss sich auch von dem Bild lösen - wir reden jetzt nur vom Amateurbereich, ich komme selber auch aus einem Amateurverein, ich bin auch Jugendtrainer gewesen, ich weiß, wie so Mechanismen funktionieren - es ist ja nicht so, dass dann auf einmal eine Gruppe von Rechten vor dem Eingangstor stehen und sagen, wir wollen jetzt Mitglied eures Vereins werden, also so funktioniert es ja nicht, sondern dann wohnt zufällig in dem Dorf, gerade in ländlichen Regionen, ein NPD-Funktionär, vorhin wurde es ja angeschnitten, das war in Hessen passiert, dessen Sohn Mitglied eines Fußballvereins werden möchte, der ist dann auch im Fußballverein Mitglied geworden und hat da mitgespielt. Und dann kam raus, der Vater ist NPD-Funktionär, dann wollte der auch noch mehr Verantwortung im Verein übernehmen, wollte eine Übungsleiter-Aufgabe haben, weil der Verein sich darüber beschwert hat, er hat zuwenig Betreuer und zuwenig Übungsleiter für die Jugendlichen und für die Kinder, die er dann betreuen kann, dann ist er Übungsleiter geworden, und dann hat er gesagt, naja, wenn ich Übungsleiter bin, dann habe ich auch mehr Verantwortung, dann möchte ich gerne auch in den Vorstand reingehen und ein bisschen mehr über die Geschicke des Vereins entscheiden wollen. Das ist dann immer so ein schleichender Stufenprozess, der sich da entwickelt. Es gibt auch gezielt Menschen aus dem rechten Spektrum, die gesagt haben, wir gründen einen eigenen Fußballverein unter einer politischen sehr eindeutigen Richtung und versuchen, Aufnahme in dem jeweiligen Landessportverband oder in dem Fachsportverband des jeweiligen Landes aufgenommen zu werden, um da auch Gelder zu bekommen. Oder Sponsoren war auch ein Thema, dass dann versucht wird, über ein Trikot... also da steht dann natürlich nicht drauf, der Trikotsatz wird gesponsert von der NPD oder so, sondern das Geld, das die Institution oder die Gruppe, die den Trikotsatz gespendet hat, kam eben von einer rechten oder rechtsorientierten Gruppe. Auch da muss man sich als Verein verhalten können. Also es gibt ganz unterschiedliche Zugänge, wie im Fußball versucht wird, Einfluss zu üben. Und übrigens, das wollte ich auch nochmal sagen in dem Zusammenhang, wir reden ja hier immer nur über Fußball, andere Sportarten sind genauso betroffen. Ich komme ja aus Niedersachsen, in der Nähe von Hannover, in der Lüneburger Heide, ich weiß nicht, ob das ein Begriff ist, da gibt es immer eine Laufveranstaltung, also aus dem Leichtathletikbereich gibt es eine sehr große Veranstaltung, und da tauchte jahrelang eine Gruppe auf, die aus dem rechten Milieu mit der 88 an der Laufveranstaltung teilgenommen hat. Also es gibt andere Sportarten, die genauso betroffen sind. Vielmehr hat man den Eindruck, dass andere Sportarten sich dieses Themas nicht so annehmen wie der Fußball, weil natürlich der Fußball eher im Fokus der medialen Öffentlichkeit steht, auch eine viel größere Bedeutung hat, aber andere Sportarten sind genauso betroffen, und genauso Bereiche wie die Schule, die Polizei, die anderen Institutionen im Arbeitsfeld. Gerade was so Einstellungen, Vorurteile belangt, haben wir es nicht mit einer Insel der Glückseligen zu tun, sondern wir haben es mit allen Bereichen zu tun, die auf unterschiedliche Art sich mit diesem Problem auseinandersetzen müssen.
HH: Jetzt klingt das für mich, wenn ich zum ersten Mal hinhöre, so ein bisschen bedrohlich, so ein Szenario, ich kann das total schwer einschätzen. Ronny, woran erkenne ich denn – und jetzt sind wir bei Rechtsextremen wieder – woher erkenne ich denn, ob jemand rassistisch ist, ob jemand rechtsextrem im extremeren Fall ist, wenn das so subtil und von allen Seiten und durch die verschiedenen Instanzen läuft. Was hast du da für Tipps beispielsweise?
RB: Auch da gilt, man muss genau zuschauen, man muss genau hingucken. Es gibt noch ein anderes Beispiel, also manchmal kann man sagen, wenn Neonazis unter sich bleiben, wenn sie irgendwie einen eigenen Verein gründen oder wenn sie zum Beispiel... es gibt ja auch geheimnisvoll organisierte Turniere, wo Neonazis gar nicht gesehen werden wollen. Es gibt jedes Jahr im August das Rudolf Heß Gedenkturnier für Hitlers Stellvertreter, in Anlehnung an den, die wollen gar nicht von uns gesehen werden und kritisiert werden, aber trotzdem stärken sie sich natürlich dort. Und dort wird dieser Erlebnischarakter des Rechtsextremismus geschürt, dort wiwrd vielleicht bei Jugendlichen, die noch kein festes Bild haben, dort wird das gefestigt. Da haben wir auch kaum Einblick, das weiß auch die Polizei ganz selten. Aber auch dort, in den Amateurvereinen, wo viele versuchen, wie der Trainer, wie der Schiedsrichter... die sind ja auch teilweise willkommen, weil es schwierig ist, Trainer und Funktionäre zu finden. Und wenn das dann problematisiert wird, stellt euch mal vor, einer eurer besten Freunde oder ein Onkel oder der Kollege eures Vaters, der bringt euch jedes Mal zum Fußball, zum Sport, und den kennt ihr seit drei, vier Jahren, und der hat sich immer zurückgehalten, der war ruhig, der war freundlich und der hat euch vielleicht mal Schokolade mitgebracht oder so, und dann stellt sich nach drei, vier Jahren heraus, der ist in der NPD und in seiner Freizeit hetzt er richtig doll und huldigt den Nazis und Hitler. Dann ist das schwierig, das zu trennen. Da gibt es aber auch wiederum Beratungsstellen, die dort Information leisten. Wir haben eine Kollegin, Angelika Riebler in Frankfurt, in Hessen, die macht das, und die hat erzählt, das ist richtig viel Arbeit, da zu beraten, weil oftmals sehen Fußballvereine das als... ja, da kommen die bösen Journalisten, da kommt der böse Herr Wagner, der will uns irgendwas, der will uns irgendwie Probleme bereiten. Da wird das Problem selten erkannt und dann muss man ganz behutsam, ganz sensibel mit denen umgehen. Und es gibt ja auch, das ist auch ärgerlich, es gibt ja viele Broschüren und es gibt ja mittlerweile viele Veranstaltungen, vielleicht gibt es manchmal auch zu viele, dass man gar nicht so richtig sehen kann, wer hilft uns tatsächlich effektiv, also da müssen wir glaube ich in den nächsten Jahren noch einen effektiven Weg finden. Letzter Satz, der DFB, ganz oben, der Deutsche Fußballbund, der ist die Spitze, aber wir haben noch 21 Landesverbände, die haben wiederum Kreisvertretungen und Regionalvertretungen, bis das dort in die Pyramide geht, das ist ganz unterschiedlich und das ist echt ein Weg der kleinen Schritte und wir haben noch längst nicht die Hälfte erreicht.
GW: Vielleicht noch eine Ergänzung, es gibt keinen Königsweg. Es gibt wie gesagt Ansätze, ich habe jetzt gerade, als ich hier in die Schule kam, gelesen, hier an eurer Schule gibt es eine Philosophie, jeden Tag lächeln und respektvoll behandeln, nicht beleidigen und so. Das trägt dazu bei. Dann habe ich das Schild gesehen, Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage. All das sind natürlich sichtbare Zeichen, und das kann natürlich ein kleiner Amateurverein auch machen, ohne großen Aufwand. Da kann man natürlich sagen, na gut, so ein Schild aufzuhängen oder so eine Tafel hinzustellen, das ist das eine, Papier ist geduldig. Aber ich sage dann immer, sowas hängt sich ja nicht von alleine auf, sowas bedarf einer Auseinandersetzung, auch einer Auseinandersetzung innerhalb der Schule, einer Auseinandersetzung innerhalb des Vereins, dass sich darüber verständigt wird, wofür stehe ich denn eigentlich, was will ich, will ich meine Mitschüler beleidigt haben oder will ich die auch als freundliche Mitschüler, auch weil sie vielleicht nicht die Marken-Jeans haben oder vielleicht eben nicht die Nike Air Schuhe tragen oder sonst irgendwas. Aber sie sind genauso respektvoll und genauso anerkannt wie andere auch. Und wenn ich das kultiviere und das nach außen trage, dann finde ich, auch kleinere Vereine haben da Möglichkeiten, und das sind auch wirklich die sinnvollen Ansätze, da was Entscheidendes dafür zu tun.
HH: Jetzt bin ich aber auch mal neugierig, nämlich was eure Erfahrungen so sind. Ihr seid ja in verschiedenen Sportvereinen unterwegs, auch ihr im Netz, habt ihr schon mal die Erfahrung gemacht, auf rassistische Mitspieler, Freunde im Verein zu treffen? Oder im Extremfall auch Rechtsextreme? Was sind eure Erfahrungen? Schreibt uns, macht mit bei der Umfrage, direkt unter dem Livestream auf der Seite der Bundeszentrale. Aber das möchte ich natürlich auch gerne von euch wissen und ich bin ganz schön neugierig. Also die Frage: Habt ihr in eurem Sportverein Erfahrung mit rassistischen oder vielleicht rechtsextremen Mitspielern, Mitkollegen und -kolleginnen gemacht? Ja – grün, Nein – rot.
Also die Mehrheit nicht, aber ich sehe drei grüne. Jetzt bin ich sehr neugierig. Wer hat den Mut und erzählt kurz?
S3: Bei mir im Karateverein haben wir einen, der ist zwar nicht dunkelhäutig, aber er ist schon etwas dunkler und er kann auch nicht so gut sehen. Und er wird von uns, von denen, die ihn mögen, der blinde Samurai genannt. Aber er wurde auch schon von vielen wirklich diskriminiert und ist deswegen auch mal aus dem Turnier gegangen. Das hat mich schon ein bisschen verärgert, dass sowas in unserem Verein geduldet wird.
HH: Und habt ihr euch dann mit ihm solidarisiert? Oder was habt ihr dann gemacht?
S3: Wir haben darüber geredet und es wurden die, die das gemacht haben, aus dem Turnier geworfen.
HH: Hier vorne ist noch jemand.
S4: Ich weiß nicht, ob das rassistisch ist, ich bin im Fechten, und unser Trainer... Wir haben einen Chinesen, und da sagte er, ihr in China macht einen leichten Drachentanz, hier ist aber Ernst, sowas halt, und vergleicht die dann öfters mit Klischees. Ich weiß nicht, ob das Rassismus ist.
RB: Das ist ganz interessant, das ist vielleicht nicht dieser Brachial-Rassismus, den man sofort sieht, aber so setzen sich Vorurteile fest, durch Medien, durch Geschichte, teilweise auch durch Schulbücher werden gewissen Ländern, gewissen Bevölkerungsgruppen gewisse Klischees zugeschrieben, wie hier am Beispiel China. Wenn das ein Trainer macht, ist das ziemlich traurig. Das ist gut, dass dir das aufgefallen ist. Das mag vielleicht weicher daherkommen, ist aber im Prinzip das Gleiche und ähnlich und da muss das sofort aufgebrochen werden. Und Deutschland gegen Ghana, wir haben es im Fußball gesehen, was da im Internet zu lesen war über kolonialrassistische Bemerkungen. Da geht es schon los, und deswegen ist es wichtig, das danach dem Trainer auch mal zu sagen oder dem Lehrer, da wird er sich wundern.
HH: Das ist ja auch der Unterschied zwischen Rassismus und Rechtsextremismus, der hier immer wieder angesprochen wird – wo beginnt Alltagsrassismus und was ist dann rechtsextrem und gegen die Verfassung? Da gab es noch eine Geschichte, ich will die Person nicht untergehen lassen.
S5: Auf einem sozialen Netzwerk hat meine Freundin ein Bild von sich gepostet, die ist sehr hellhäutig, und dann haben mehrere Leute darunter geschrieben, dass sie ein Scheiß-Pole ist und ihre Autos selber klauen soll und so. Dann hat sie Bilder drauf gelassen und hat gesagt, selbst wenn ich ein Pole wäre, ich klau keine Autos, ich bin aber eine Deutsche und mir ist es egal, was die anderen über mich sagen, weil es nicht stimmt. Und die Leute, sie sowas über mich sagen, haben einfach keine Ahnung. Und auch wenn ich Pole wäre, haben sie trotzdem keine Ahnung, weil das sind Klischees, die manchmal selber nicht stimmen, die sich irgendeine Person ausgedacht hat und verbreitet hat und das nicht stimmt. So war das.
HH: Also auch nochmal so eine subtile Geschichte mit Zuschreibungen. Ich finde es ganz interessant, wir haben die Frage ja auch im Netz gestellt, ob die Leute schon Erfahrungen gemacht haben, und eure Antwort ist: "Ja, habe ich schon" mit 70%. Das ist ganz schön viel.
GW: Man muss natürlich auch sagen, gerade an diesem Beispiel wird deutlich, dass zum Teil diese Vorurteile, die da kultiviert werden oder gezeugt werden, dass die zum Teil auch mit den Medien eine neue Qualität gewonnen haben. Früher war es so, da stand einer mir gegenüber, und wenn der mich mit Vorurteilen überhäuft hat, dann hatte ich eine Möglichkeit gehabt, darauf zu reagieren oder wegzugehen. Aber über Facebook und die neuen Medien, das bleibt im Netz stehen, das kriegst du nicht weg. Und das wirst du in einem Jahr oder was weiß ich, wenn du gezielter suchst, wirst du immer noch diese Vorurteile über Twitter und diese ganzen sozialen Medien lesen können. Wer sich mal den Spaß macht, über Mario Götze, den Fußballer, reinzugehen, wie er gewechselt ist von Dortmund nach München, was der alles ertragen musste an hässlichen Kommentaren, die es immer noch gibt, obwohl das Theme eigentlich durch ist. Man kann ermessen, dass viele Leute solche Medien nutzen, um sich zu verstecken. Sie scheuen die offene Auseinandersetzung, den Dialog, sich argumentativ - wenn sie dazu in der Lage sind, muss man ja auch sagen, einige gibt es vielleicht, die argumentativ nicht in der Lage sind, die verstecken sich dann gerne in anonymen Medien wie Facebook und sozialen Medien, um ihre Vorurteile ganz ungehindert, ganz anonym weiter zu verbreiten. Das ist das Gefährliche, wo ich da eine Tendenz sehe.
HH: Ja, unser Thema heute: Über den rechten Flügel – Neonazis und Fußball. Ihr seid aufgerufen, Anmerkungen, Fragen, eure Meinung über Hashtag und Twitter, der Hashtag lautet #wirgegenrex mit dem X am Ende. Wir sind hier in der Voltaire-Gesamtschule in Potsdam und ihr habt ganz viel zu dem Thema gearbeitet und wir haben eine Frage mitgebracht, Lili und Konstantin repräsentieren ihre Gruppe und beantworten uns die Frage: Was tut man eigentlich, wenn man einen Mitspieler, eine Mitspielerin hat, die sich rassistisch geäußert hat, rechtsextreme Gesinnung aufweist? Was habt ihr da erarbeitet?
S6: Als erstes würde ich selber ein Gespräch mit dieser Person suchen, probieren sie zu überzeugen: das hat keinen Sinn, Rechtsextremismus ist gar nicht gut. Wenn das nicht funktioniert, dann würde ich zum Trainer gehen und fragen, können Sie nicht mal mit dem Spieler reden, überzeugen Sie ihn, dass er aufhören soll, rechtsextremes Gedankengut zu äußern. Wenn das auch nicht funktioniert, dann wäre der Ausschluss aus dem Verein die beste Lösung.
S7: Um dem vorzubeugen, das ist ja wirklich eine sehr drastische Lösung, haben wir uns überlegt, dass man deren Lebensläufe ganz genau untersucht und verfolgt. Vielleicht gibt es irgendwelche Mitgliederlisten von rechtsextremen Gruppen, so wäre die Chance geringer, dass solche Leute in das Team kommen.
HH: Also, ganz viel reden, habe ich da gehört. Nur im nötigsten Fall Ausschluss und herausfinden, in welchem Kreis er oder sie sich bewegt. Und was sagt ihr, die Expertenmeinung dazu?
GW: Alles richtig.
RB: Muss man nicht viel hinzufügen.
GW: Ich finde das sehr überlegt und sehr gut. Gleich mit der harten Keule zu agieren - es gibt ja immer noch Möglichkeiten. Wie gesagt, ich habe es vorhin angedeutet, dass es ja auch mal eine unbedachte Äußerung ist und auch deinem Trainer würde ich nicht unterstellen wollen, dass das ein Rechtsextremer ist, nur weil er ein bestimmtes Bild von einem chinesischen Mitmenschen hat. Da ist ja noch Möglichkeit zu sagen, hör zu, revidier doch mal deine Meinung, oder gibt es nicht noch ein anderes Bild, du möchtest ja auch nicht in ein bestimmtes Bild, in eine bestimmte Ecke gedrängt werden oder bezeichnet werden. Also, bevor man wirklich einen Ausschluss hat, sollte man noch andere Möglichkeiten ins Kalkül ziehen. Und das habt ihr ja auch so genannt. Das kann ich eins zu eins unterschreiben. Wobei man sagen muss, es gibt wirklich kein Patentrezept, man muss da immer auf den Fall gucken, wie kann ich darauf reagieren, welche Möglichkeiten habe ich oder welche Möglichkeiten habe ich halt nicht. Auch da muss man sagen, ich komme gar nicht mehr weiter, ich habe alles ausgeschöpft, was ich mir überlegt habe, und ich komme mit dem Problem nicht weiter, kriege es nicht gelöst. Um den Schlenker wieder zum Fußball zu machen, was viele Vereine eben nicht machen, zu sagen, naja, dann hole ich mir externe Hilfe, da hole ich mir professionelle Beratung, die sich damit auskennen und die mir vielleicht weiterhelfen. Das passiert leider zu wenig.
HH: Aber der ganz deutliche Hinweis: Auf jeden Fall darüber reden und den Mund aufmachen und nicht weggucken. Jetzt ist das eine direkt in meinem Sportverein, aber das andere ist, was ist zum Beispiel, wenn ich im Stadion bin, sitze dann in einer Fankurve und neben mir blökt jemand einen rechten oder einen rassistischen Spruch. Da haben wir drei andere, die diese Frage bearbeitet haben und ihre Gruppe repräsentieren, Samanike, Elias und Lütje, was habt ihr für euch erarbeitet?
S5: Auf jeden Fall sollte man in unserem Alter sich erwachsene Hilfe holen, da manche Leute Kinder nicht ernst nehmen bzw. man weiß ja auch immer nicht, ob die Leute auch handgreiflich werden können und stärker sind als man selber. Und man könnte auch, wenn es in einem höheren Verein ist und wenn man dagegen was sagt und er nicht zuhört, zu einem Security-Mann gehen und sich da Hilfe holen.
S4: Ich hab aufgeschrieben, was man als Verein tun sollte bzw. was für Strafen man nehmen sollte. Bei einem sehr extremen Fall, also bei Leuten, die zum Beispiel Flaschen werfen, erstmal eine Geldstrafe, ist ja logisch irgendwie. Wenn es sehr extrem ist, eine Gefängnisstrafe und vielleicht noch ein Experte, der mit ihnen redet, ein Psychologe. Und bei einem einfachen Fall eine Geldstrafe oder wieder einen Experten, der mit ihnen redet. Wir hatten auch noch eine Idee, und zwar ein Fan, der nicht rechtsextrem ist, sondern dagegen, dass man den in den rechtsextremen Fanblock reinsetzt und der dann hinterfragt, warum die das machen, sozusagen einschleusen und versucht dann, den rechten Gedanken aus dem Stadion zu bringen.
S8: Und um das jetzt noch mal mit dem einzelnen Fan zu sagen, dass man mit dem redet, die meisten sind ja einfach Mitläufer, die einfach mitgehen, die einfach dazugehören wollen und eigentlich keinen greifenden Gedanken dahinter haben, dass man den einfach fragt, hey, was sagst du da, was bedeutet das denn eigentlich wirklich, um die zu verunsichern, was sie da eigentlich machen und um selbst was dagegen getan zu haben. Um dann noch mal zu Lütje was zu sagen, bei den jeweiligen Gruppierungen gibt es ja auch noch zwischen den Extremen verschiedene Stufen. Bei den Gruppierungen, die nicht so extrem sind, kann man es wirklich versuchen, dass man einen Polizisten vielleicht mit einer psychologischen Ausbildung dort hereinschleust, der das dann versucht von innen oder einfach bei den Extremen ein Naziregister zu machen, wo man die einschreibt und dann einfachere Wege hat, um sie zu bestrafen.
S5: Ganz wichtig ist es aber auch, dass man schon in der Schule anfängt, den Kindern zu sagen, dass es nicht ok ist und wie sich die Leute fühlen, wenn man wegen seiner Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung beleidigt wird. So wie es Frau Schiffer mit uns gemacht hat, das ist unsere Religionslehrerin. Wir haben einen Film über Rassismus gedreht und damit hat sie uns spielerisch vermittelt, dass Rassismus andere Menschen verletzt und Rassismus ein Thema ist, das besprochen werden sollte und nicht irgendwo verloren gehen sollte.
HH: Ich fasse mal zusammen: Den Spiegel vorhalten, Sanktionen im schlimmsten Fall und jemanden vielleicht einschleusen, also Leute in den Rängen haben, die darauf gucken. Habt ihr noch Ideen?
RB: Das war alles gut, aber das mit dem Fan-Einschleusen ist vielleicht schwierig, weil man dem ja auch was zumutet, das sollten eher die staatlichen Organisationen machen, wenn es um Einschleusen geht, was generell immer sehr sehr heikel ist, ihr wisst, Staatsschutz, Verfassungsschutz, das ist eine lange Geschichte, ist heute nicht unser Thema. Man sollte sich bewusst sein, in welches Risiko man sich bewegt, wenn es sich um gewaltbereite Leute handelt. Wichtig ist, dass der Verein Experten anbietet. Borussia Dortmund ist ein gutes Beispiel, die haben lange Probleme gehabt, ein bekannter toller Verein, da ist viel passiert, bis die das zugelassen haben überhaupt. Ganz wichtig ist auch erst mal zu wissen, mit wem hat man es da zu tun, vielleicht auch mal Wissenschaftler reinzulassen, das Ganze mal untersuchen, und Fanbeauftragte, große Abteilungen. Das Wort Einschleusen suggeriert immer, das ist ein Spion, der will da irgendwas. Der muss sich mit seinen Leuten auskennen, auf Augenhöhe mit denen sprechen, versuchen dort zu dämpfen, und das ist glaube ich wichtig. Wenn Sanktionen... ja.
GW: Ich würde gerne noch mal darauf eingehen, was du gesagt hast, ich finde das genau richtig, was du angeschnitten hast, es geht ja auch um Zivilcourage. Wenn ich da stehe und neben mir ist einer, der aus welchen Gründen auch immer irgendwas sagt, was mir total widerstrebt oder was ich ablehne, das ist ja manchmal auch unbedacht, Fußball ist eine emotionale Sportart, das ist ja auch nichts Neues, und da wird manchmal was gesagt, was man sonst eigentlich nicht sagen soll. Wenn in der Schule oder im Arbeitsbereich jemand sagt, "du bist eine schwule Sau", dann werde ich dafür sanktioniert, zu Recht, oder werde dafür bestraft oder kriege eine Abmahnung im Beruf, aber im Fußball ist das möglich. Da kann ich meinen Senf und meine Emotionen ungefiltert rauslassen und kann sagen, du schwule Sau und wie auch immer, und kann da rumschimpfen. Und wenn es nicht unmittelbar um mich herum jemanden gibt, der sagt, hör zu, das will ich aber nicht haben, oder: das gehört hier nicht dazu, dann wird der das wahrscheinlich auch weiterhin machen. Das hat ein stückweit auch mit Zivilcourage zu tun, also was sagst du, wenn da so ein Schrank vor dir steht, muskelbepackt, dann wirst du wahrscheinlich auch erst mal schlucken und sagen, sag ich dem jetzt was? Aber da finde ich den Weg, den du beschrieben hast, genau richtig: Es gibt Leute, über den Ordnungsdienst, die Security, es gibt sogenannte Fanbeauftragte über den Verein, das sind ansprechbare Personen, die man darauf aufmerksam macht, das irgend etwas hier um mich herum passiert oder gesagt wird, was ich nicht toleriere, wo ich mich unwohl fühle. Und das soll man auch ruhig in Anspruch nehmen. Insofern finde ich das genau richtig, wie du das vorhin dargestellt hast.
HH: Jetzt müssen wir ja nicht alle das Rad neu erfinden, es gibt schon ein paar Kampagnen, die laufen, oder Aktionen, die sich Leute ausgedacht haben. Und da würde ich gerne mal einen Blick mit euch drauf werfen. Da ist zum Beispiel ein Hashtag, der nannte sich, das ist vor ein paar Wochen passiert, #weareallmonkeys. Ich weiß nicht, inwiefern ihr das mitbekommen habt, bisschen zum Hintergrund: Viele Schwarze Spieler machen die Erfahrung, dass sie wenn sie auf dem Spielfeld stehen, Affengeräusche hören müssen, Bananen nach ihnen geworfen werden, und es kam zu einem Angriff bei einem Spiel zweier spanischer Mannschaften, nämlich FC Barcelona und FC Villarreal und dort wurde eine Banane dem Spieler Dani Alves entgegengeworfen. Und der hat das ganz interessant gemacht, er hat die Banane genommen, geschält, gegessen und weitergespielt. Das hat so viele begeistert, weil er sich in einer selbstbestärkenden Art dieser rassistischen Anfeindung entgegengestellt hat, dass sich ganz viele im Netz mit ihm solidarisiert haben und unter dem Hashtag #weareallmonkeys Fotos gepostet haben, wo sie Bananen essen und Gesichter machen, um eben zu zeigen, wir positionieren uns gegen Rassismus. Das ist ein Beispiel. Ein anderes Beispiel ist eine DFB-Kampagne, die schon seit einigen Jahren läuft, vielleicht habt ihr den Slogan schon mal gesehen, "Wir sagen NEIN zu Rassismus", und dieses Banner wird immer sehr präsent im Stadion präsentiert. Und das ist auch ein bisschen, was du vorhin gesagt hast, es ist zwar Papier und es ist zwar nur ein Banner, aber in dem Moment, wo man das in die Köpfe der Menschen holt, passiert unter Umständen auf Dauer auch etwas. Dann gibt es auch eine andere Aktion vom DFB, die heißt "Zeig Rassismus die Rote Karte", vielleicht habt ihr das auch schon mal im Stadion gesehen oder mal im Spiel, da wird vor dem Spiel von den Spielern, von den Leuten im Stadion eben diese Rote Karte gegen Rassismus nach oben gehalten. Und dann – Borussia Dortmund wurde gerade angesprochen von Ronny, der Verein hatte ja viele viele Jahre große Probleme und kämpft jetzt immer noch gegen die an, und die haben einen kurzen Videofilm kürzlich veröffentlicht und wollen sich damit positionieren gegen Rechts und gegen Rassismus. Da gucken wir mal kurz rein.
[Video "Fußball und Nazis passen einfach nicht zusammen"]
Ja das ist ein bisschen unterhaltsam gemacht, da schmunzelt man auch und nimmt das Thema auf den Arm. Ob man das gut oder schlecht findet, ist jedem selbst überlassen. Aber das alles sind Möglichkeiten, um sich ganz klar zu positionieren. Ronny und Gerd, ich möchte euch gerne noch ein bisschen dazu befragen. Es gibt ja jetzt unheimlich viele Kampagnen, wir haben ein paar gesehen. Habt ihr das Gefühl, die helfen?
GW: Naja, unterschiedlich, wenn man jetzt gerade diesen Spot von Dortmund nimmt, finde ich, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man sich mit einem Thema auseinandersetzt, ohne mit diesem pädagogischen Zeigefinger zu agieren. Das finde ich eigentlich ein gelungenes Beispiel, das finde ich ganz gut. Bei anderen Kampagnen bin ich immer ein bisschen zwiegespalten. Ich finde per se die Kampagnen sehr gut, sehr sinnvoll, vom DFB diese Rote Karten Aktion, oder wenn ein Banner hingehängt wird, aber das alleine kann es ja nicht sein. Wenn nur eine Kampagne, so eine plakative Aktion gemacht wird, dann bleibt auch wenig hängen. Wir haben es mit 36 Profivereinen zu tun, wir haben es mit 27.000 Amateurvereinen zu tun, dann frage ich mich immer, was hat der Übungsleiter oder die Übungsleiterin in so einem kleinen Kreisligaverein davon, wenn im Stadion Rote Karten hochgehalten werden? Da bleibt relativ wenig hängen. Da kann man eine Aufmerksamkeit für das Thema erzeugen, man kann darauf hinweisen, dass das eine wichtiges Thema ist, mit dem sich auch der Fußball auseinandersetzt - also nicht nur das Denken innerhalb der vier Eckfahnen ist wichtig, sondern auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung hat der Fußball. Das ist sicherlich richtig, aber es muss noch weiter gehen, es müssen noch Angebote gemacht werden an die Vereine, an die Vereinsbasis, um zu sagen, wir nehmen das als Aufhänger, um mit dem Thema zu agieren. Und manchmal habe ich den Eindruck, dass immer nur dann Kampagnen gemacht werden, wenn besondere Vorfälle passieren. Ganz aufgeregt finden dann irgendwelche Überlegungen und Ideen statt, wie man dieses Thema umsetzt. Das finde ich relativ kurzfristig gedacht und auch sehr schade, auch innerhalb des DFB gibt es natürlich Personen, wo ich sage, deren Meinung würde ich nicht unbedingt teilen, um es mal vorsichtig auszudrücken. Oder wie es jetzt passiert ist, dass auch der DFB als Verband sich sehr unterschiedlich verhält. Ich weiß nicht, ob ihr das in Erinnerung habt, als Deutschland Anfang des Jahres in Hamburg gegen Polen gespielt hat, da gibt es am Tag vorher ja immer ein Trainingsspiel, ein Abschlusstraining, was die deutsche Mannschaft macht, die haben in St. Pauli gespielt in einem Stadion, und in St. Pauli ist einer der Vereine, die dafür bekannt sind, die auch nach außen dokumentieren, dass sie sich gegen Rassismus und Diskriminierung verwenden, und da hing ein Plakat im Stadion, das hängt da immer im Stadion von St. Pauli, "Kein Fußball den Faschisten". Was hat der DFB gemacht? Der hat das Plakat überklebt und hat "den Faschisten" rausgenommen, dann stand da nur drauf "kein Fußball". Mit der Begründung, man muss das Stadion ja neutral halten, das ging dann wieder so, Politik ist Politik und Fußball ist Fußball, hat genau diese Klischees und diese Vorurteile bedient, die er selber durch Kampagnen bekämpfen will. Da ist auch noch sehr viel Handlungsbedarf da. Oder letztes Wochenende, um noch ein I-Tüpfelchen draufzutun, wieder Absender DFB, beim A-Jugendspiel Hannover 96 gegen Hoffenheim im Stadion, da gibt es einen Arbeitskreis bei 96 gegen Rassismus, auch dieses Banner, das dort immer hängt im Stadion, wurde überklebt mit der Begründung, man muss politisch neutral sein und keine Äußerung machen dürfen. Das ist widersprüchlich zu diesen Kampagnen, die immer gemacht werden. Deswegen bin ich da immer ganz vorsichtig mit solchen plakativen Aktionen, was bleibt wirklich substantiell, nachhaltig bei den Vereinen hängen? Da ist immenser Nachholbedarf. Also, wenn ich mit dem DFB anfange, da gibt es auch keinen Ansprechpartner für diese Thematik, hauptamtlich. Ronny hat es gesagt, wir haben 21 Landesverbände im Fußball, auch da ist die Verankerung mit Ansprechpartnern sehr wenig gegeben, also an wen wenden sich Vereine, die Hilfe holen? Gut, dann lasse ich es erst mal dabei.
HH: Ronny, ich würde diese Frage gerne an dich stellen, die hier aus dem Netz kam, die bezieht sich auch auf die Kampagne, die gerade von Borussia Dortmund gezeigt wurde. Da hast du ja vorhin schon dazu gesprochen. Hier wird kritisiert, dass Klischee-Nazibilder von dummen Glatzköpfen mit Baseballschlägern bedient werden, ob das überhaupt der Realität entspricht und der Lebenswelt der Neonazis und wen das ansprechen soll.
RB: Ja, der Realität entspricht das nicht. In der Tagesschau ist das auch noch oft zu sehen, dass man da die Springerstiefel zeigt und die Glatze, weil man ja versucht, das zu visualisieren. Aber der Rechtsextremismus wandelt sich, Autonome Nationalisten, und wir haben auch welche, die sich bewusst gar nicht mehr so brachial kleiden, und dadurch spitzt man das Thema falsch zu, man dämonisiert es an der falschen Stelle, man setzt da falsche Schwerpunkte. Ich weiß aber auch, dass man an einer plakativen Kampagne etwas betonen muss, um es wirklich rüberzubringen. Aber da gibt es teure Agenturen, die sich Gedanken machen können, wie man so etwas umsetzt. Deswegen würde ich dem Gerd da – ich sehe das genauso. Das merke ich vor allem, wenn ich zu Vorträgen eingeladen werde, auch im Amateurfußball, da ist es ja auch so, da sagt sich der Verein, wir machen jetzt mal eine Veranstaltung, laden den mal ein, dann machen wir mal was. Aber das ist ja auch teilweise ein Alibi, und das ist sogar fahrlässig, weil man den unwissenden Leuten suggeriert, die kümmern sich. Aber manchmal kümmern sie sich eben doch nicht. Wie oft saßen wir schon in irgendwelchen Konferenzen und haben von Leuten Reden gehört, man dreht sich da oft im Kreis, plakative Sachen könne sogar im Gegenteil noch Leute abschrecken, sich selbst zu engagieren, weil man das Gefühl erweckt, das ist schon in guten Händen. Aber manchmal ist es ja wirklich keine nachhaltige Information. Bei Borussia Dortmund kann man sich vielleicht streiten, aber natürlich ist es schwierig, diesen komplexen Inhalt in einem kurzen Spot wiederzugeben. Ich bin selbst Journalist, ich muss selbst Überschriften finden, ich muss komplexe Sachen in Artikel unterbringen – schwierig.
HH: Fazit – auf jeden Fall etwas tun und thematisieren und es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Was wir auch festgestellt haben: das Thema Rechtsextremismus und Rassismus im Sport ist kein einfaches, sondern sehr differenziert und vielfältig. Und damit kommen wir auch schon zum Ende dieser Runde. Ich möchte mich ganz herzlich bei euch im Netz bedanken fürs Mitmachen, fürs Fragenschicken, fürs Zuschauen. Bei euch möchte ich mich bedanken hier in der Voltaire-Gesamtschule in Potsdam, auch fürs Mitmachen natürlich und fürs Abstimmen und Fragen und Antworten vorbereiten. Und ich möchte mich bei euch Experten, bei Ronny und Gerd, bedanken und eine Abschlussfrage stellen, euch noch mal kurz das Wort geben. Ich weiß, das ist eine sehr allgemeine Frage, aber man möchte ja auch was mitnehmen, wo man so sagen kann, das habe ich mir nach anderthalb Stunden rausgezogen. Wenn ihr einen Wunsch frei hättet und sagen könntet, das muss man generell tun oder das sollte man als ersten Schritt tun, um gegen Rassismus und Rechtsextremismus im Sport, im Fußball im Speziellen anzugehen, was wäre euch das Wichtigste, wenn ihr jetzt entscheiden könntet?
GW: Wenn ich jetzt entscheiden würde, würde ich sagen, viel mehr solcher Veranstaltungen. Deswegen nochmal danke an euch, dass ihr so lange ausgeharrt habt so ruhig und das so konzentriert verfolgt habt. Das sind genau die Plattformen und die Basis, wo man ein stückweit Gedanken rüberbringen kann, sich austauschen kann und das müsste man viel viel mehr tun und viel mehr solche Veranstaltungen machen.
RB: Ich würde einfach sagen, jeder sollte bei sich selbst anfangen. Ich merke das bei mir auch selbst, dass ich Klischees mit mir rumtrage, mich gleichzeitig ertappe und dann sage ich, ich schwinge immer irgendwelche Reden, und selbst habe ich die auch in mir drin. Also jeder bei sich selbst anfangen, nachdenken, sich selbst beobachten, wie geht man mit Gruppen um. Ich glaube, langfristig ist das der beste Weg.
HH: Das ist doch ein guter Abschluss. Dann sind wir am Ende angekommen. Wenn ihr das Video nur teilweise anschauen konntet oder verpasst habt, in ein paar Stunden könnt ihr es euch online komplett anschauen. Vielen Dank fürs Zuschauen, vielen Dank fürs Mitmachen, bis zum nächsten Mal.
In vielen Fußballstadien und -vereinen werden rassistische, homophobe und antisemitische Einstellungen offen zur Schau gestellt. Während im Profifußball Neonazis eher auf den Tribünen und in den Stadionkurven unterwegs sind, stehen Amateurvereine vermehrt vor dem Problem, dass sich Anhänger von Organisationen der extremen Rechten unter ihren Mitgliedern befinden oder dass sich rassistische Vorurteile ihrer Mitglieder im Vereinsalltag entladen. Aus Angst vor einem Imageschaden ignorieren Vereine und Verbände das Problem häufig oder greifen zu spät ein. Aber wie lassen sich Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Sexismus und Rechtsextremismus im Fußball überhaupt sinnvoll und nachhaltig bekämpfen? Welche Akteure stehen in der Verantwortung zu handeln?
Hier auf
Über diese drei Fragen und viele mehr haben wir gesprochen:
Sollte man Fußball und Politik trennen?
Danke für ihre Teilnahme!
Sollten rechte Fans Stadionverbot bekommen?
Danke für ihre Teilnahme!
Habt ihr im Sportverein schon Neonazis getroffen oder Menschen, die rechtes Gedankengut äußern?
Danke für ihre Teilnahme!
Für weitere Informationen könnt ihr euch zum Beispiel in unserem
Ronny Blaschke
Ronny Blaschke hat Sport- und Politikwissenschaften studiert und arbeitet als freier Journalist in Berlin. Er schreibt über die politischen Hintergründe des Sports, eines seiner Hauptthemen ist das Phänomen Rechtsextremismus im Fußball. Seine Texte wurden u.a. in der Süddeutschen Zeitung, der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau veröffentlicht. Für einen Artikel über die Unterwanderung des 1. FC Lokomotive durch Neonazis, der in der ZEIT erschien, wurde Ronny Blaschke 2009 vom Medium Magazin als Sportredakteur des Jahres ausgezeichnet. Er hat mehrere Bücher verfasst, darunter "Im Schatten des Spiels. Rassismus und Randale im Fußball" (Werkstatt, 2007) und "Angriff von Rechtsaußen. Wie Neonazis den Fußball missbrauchen." (Werkstatt, 2011)
Gerd Wagner
Gerd Wagner. (© Gerd Wagner)
Gerd Wagner. (© Gerd Wagner)
Gerd Wagner ist Sport- und Politikwissenschaftler. Zwischen 2007 und 2009 entwickelte und leitete er das Modellprojekt "am Ball bleiben – Fußball gegen Rassismus und Diskriminierung". Seit 2010 arbeitet er für die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) bei der Deutschen Sportjugend. Unter anderem während der Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine war er für die KOS als "Fanbotschafter" unterwegs. Gerd Wagner ist Mitglied der DFB-Arbeitsgruppe "Für Toleranz und Anerkennung gegen Rassismus und Diskriminierung" und Jurymitglied des Julius-Hirsch-Preises des DFB.
Hadija Haruna
Hadija Haruna. (© Hadija Haruna. Fotografin: Bettina Volke)
Hadija Haruna. (© Hadija Haruna. Fotografin: Bettina Volke)
Hadija Haruna ist Diplom-Politologin sowie Redakteurin und Autorin für den Hessischen Rundfunk, das Magazin "fluter" der bpb, den Tagesspiegel, die ZEIT und andere. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Jugend und Soziales, Migration und Rassismus. Sie hat für bpb.de bereits die Webtalks zu Externer Link: Autonomen Nationalisten und Externer Link: NPD-Verbot moderiert.
"Es hat angefangen mit Ansagen, Pöbeleien und ist dann immer weiter gegangen"
Rechtsextremismus und Diskriminierung im deutschen Fußball
In den 2000er Jahren war offen zur Schau gestellter Rechtsextremismus in den deutschen Profistadien rückläufig. Zum einen waren Ultras auf den Plan getreten und hatten rassistische Schmähgesänge verdrängt, zum anderen fand er sich in den Amateurligen wieder. Doch unterliegt diese Entwicklung jüngst einer Kehrtwende.
Vielerorts sind offene Konflikte zwischen antidiskriminierenden Fans und Ultras einerseits und Anhängern „alter Werte" andererseits ausgebrochen. Diese bestehen aus einer Melange von Rechtsextremen, rechtsaffinen Alt- und Junghooligans sowie rechtsoffenen Ultras. Sie versuchen antidiskriminierende Äußerungen im Stadion sowie in der Fanszene aktiv zu bedrohen und zu verhindern. Traditionelle Männlichkeit, körperliche Härte und territoriale Dominanz stellen zentrale Eckpfeiler ihres Wertekanons dar.
Auf der anderen Seite stehen Fans und Ultras, die sich für eine diskriminierungsfreie Fankurve einsetzen -- ohne Homophobie, Rassismus oder Sexismus, ohne das Recht der stärkeren Faust. Doch sie stehen unter konstanten gewalttätigen Angriffen. So verkündeten die Aachener Ultras (ACU) 2013 ihren Rückzug aus dem Stadion, da sie nicht mehr die Sicherheit ihrer Aktiven vor rechtsextremen Übergriffen gewähren konnten. In Braunschweig wurden die Ultras Braunschweig (UB) nach mehreren Konflikten mit lokalen Rechtsextremen vom Verein mit einem Auftrittsverbot für die Gruppe belegt und in Duisburg waren die antirassistisch engagierten Ultras der „Kohorte Duisburg" Ziel eines Angriffes einer Hooligangruppierung mit Überschneidungen zu den Autonomen Nationalisten. In mehr als 20 Städten schwelt dieser Konflikt.
Diese Auseinandersetzung um die Stimmungen und Haltungen in den Fankurven betrifft Stadien über die gesamte Bundesrepublik verteilt. Um das Thema von vielseitig zu beleuchten, kommen in dem Videobeitrag unterschiedliche Personen -- Fans, Fanbetreuer, Journalisten und Wissenschaftler -- zu Wort und stellen ihre Sicht der Dinge dar:
David, Mitglied der Aachen Ultras, die sich für eine diskriminierungsfreie Fankurve engagierten und 2013 aufgrund gewalttätiger Bedrohungen ihren "Rückzug" aus dem Stadion verkündeten.
Ronny Blaschke, freier Autor und Journalist, schreibt u.a. für die Süddeutsche Zeitung und verfasste das Buch "Angriff von Rechtsaußen -- Wie Neonazis den Fußball missbrauchen."
Daniela Wurbs, Mitarbeiterin des europaweiten, unabhängigen und demokratischen Netzwerkes "Football Supporters Europe", offizieller Ansprechpartner der UEFA für Fanrechte und Diskriminierungen.
Daniel Lörcher, Fanbetreuer von Borussia Dortmund, organisiert seit mehreren Jahren Gedenkstättenfahrten für BVB-Fans.
Robert Claus, Mitarbeiter der "Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit" (KoFaS) an der Leibniz Universität Hannover, die in den Bereichen Anti-Diskriminierung, Konfliktschlichtung und Gewaltprävention tätig ist.
Ein Film von #R99 und KoFaS in Zusammenarbeit mit FLMH. www.flmh.de mit Aufnahmen von: F95.Antirazzistas, Filmstadt Inferno, stpauli.tv und Aachen Ultras für die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb - www.bpb.de (Rechteinhaberin) Musik: Zeropage.
Mehr Informationen zur KoFaS unter www.sportwiss.uni-hannover.de/kofas.html.
Weitere Infos zum Thema extreme Rechte, Diskriminierung und Fußball im Externer Link: Dossier-Schwerpunkt.
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